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Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition)

Titel: Der Junge, der sich Vogel nannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Henrik Nielsen
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Da hört sie Frides leisen Gesang aus dem oberen Stock. Nanna geht die Treppe hoch. Alle Türen sind zu, aber unter einer von ihnen sieht sie den roten Lichtschein von Frides Taschenlampe und guckt in das Zimmer. Fride sitzt auf dem Boden und spielt mit ein paar Tierfiguren aus Plastik. Sie spricht mit künstlicher Stimme. Mal streng und erwachsen, mal kichert sie kindisch.
    »Was hast du da gefunden?«
    »Tiere«, antwortet Fride.
    »Wie schön«, sagt Nanna und schaut sich um. Sie sind in einem Kinderzimmer mit Pferdepostern und Spielzeugkisten. Auf beiden Seiten des Zimmers steht je ein Bett und über dem einen hängt ein Mobile mit Zirkustieren.
    »Ja, nicht wahr. Das ist ein schönes Zimmer«, sagt Fride.
    »Wunderschön.«
    »Was glaubst du, wer hier gewohnt hat?«
    »Zwei Mädchen.«
    »Denkst du, es stört sie, wenn wir mit ihren Sachen spielen?«
    »Nein, das denke ich nicht.«
    »Ist das ein bisschen wie das Zimmer, das wir beide hatten?«
    »Ja, ein bisschen«, sagt Nanna.
    »Ich will heute Nacht hier schlafen.«
    »Wir können zusammen hier schlafen. Ich gehe runter, holeuns etwas zu essen und verschließe die Tür. Du kannst so lange hierbleiben.«
    Nanna kommt zurück und legt die Sachen, die sie unten im Schrank gefunden hat, auf den Boden. Sie essen und Fride fragt nach dem Spielzeug im Zimmer. Nach den Puppen und Lego-Steinen, nach dem Drachen, der an der Decke hängt. Nach den Pferdebildern an der Wand. Ob Nanna schon mal ein Pferd gesehen hat? Und ob es niedlich war. Nanna antwortet, bis sie so müde ist, dass sie fast auf dem Boden einschläft.
    »Wir sollten schlafen gehen«, sagt sie und steht auf.
    »Ich muss mal«, sagt Fride.
    »Jetzt?«
    »Ja.«
    »Dann müssen wir runtergehen. Das Bad ist neben der Küche. Ich war vorhin schon da.«
    Sie schleichen sich die Treppe hinunter. Gerade so, als würde das ganze Haus schlafen, als wollten sie niemanden aufwecken. Bläuliches Mondlicht fällt durch die Fenster und wirft Schatten an die Wände. Nanna geht rasch mit Fride ins Bad.
    »Kann ich hier Pipi machen?«, fragt Fride.
    »Ja, kannst du.«
    Nanna sieht sich im Spiegelschrank über dem Waschbecken. Einen ganz ähnlichen hatten sie zu Hause auch. Sie mochte den intensiven, fremden Geruch und liebte es, darin zu stöbern und sich Wattebäuschchen zu nehmen. Ganz unten lag immer ein Kästchen mit glänzenden Tablettenpackungen. Nanna reißt die Schranktür auf.
    »Was machst du da?«, fragt Fride.
    »Vielleicht gibt es hier Medizin«, sagt Nanna.
    Es ist derselbe scharfe Geruch. Der Schrank ist voll mitZahncremetuben, Rasierklingen und Watte. Ganz oben liegen ein paar Tablettenschachteln. Nanna nimmt jede in die Hand, aber auf keiner steht derselbe Name wie auf der Medizin für Papa.
    »Hast du was gefunden?«, fragt Fride.
    »Nein«, sagt Nanna und spürt wieder, wie müde sie ist. »Komm jetzt.«
    Sie gehen langsam nach oben. Fride kriecht ins Bett und Nanna schließt die Tür ab. Sie legt sich neben ihre Schwester und macht die Augen zu.

12
    Sonnenlicht fällt durch die Vorhänge und Nanna sieht, dass alles im Zimmer von einer Staubschicht bedeckt ist. Sie macht die Augen wieder zu und ihr Kopf füllt sich mit der Insel, dem Bunker, dem Wohnzimmer und dem Sofa vor dem Kamin. Papa, denkt sie und richtet sich auf. Fride liegt zusammengerollt neben ihr und schläft.
    »Fride. Du musst aufwachen!«
    Fride grunzt nur und dreht sich um.
    Nanna wuschelt ihr durch die Haare.
    »Komm schon«, sagt sie und steht auf.
    »Können wir nicht noch ein bisschen schlafen? Es ist so gemütlich hier.«
    »Nein. Komm jetzt. Denk an Papa.«
    »Ich komm ja schon«, sagt Fride und richtet sich auf.
    Sie schaut sich um.
    »Heute ist es gar nicht mehr so schön«, sagt sie. »Findest du nicht auch?«
    Auf dem Fußboden liegen die Tierfiguren umgeben von grauen Staubflusen. Nanna denkt an die Mädchen, die früher hier gewohnt haben und dass sie nie wieder mit ihren schönen Sachen spielen werden.
    »Nein. Ich will weiter«, sagt Nanna.
    »Ich auch«, sagt Fride.
    »Wir essen schnell und dann gehen wir«, sagt Nanna.
    »Müssen wir heute lange wandern?«, fragt Fride.
    »Ja.«
    »Wie lange?«
    »Wir müssen versuchen, die Brücke zu erreichen. Papa hat es auf die Karte geschrieben.«
    »Wie weit ist das?«
    »Wir müssen zur Hauptstraße. Dort wird das Laufen leichter. Und dann müssen wir so weit gehen, wie wir es schaffen.«
    Sie ziehen sich an, essen die Reste vom Vortag auf und gehen nach unten. Leise schleichen sie

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