Der Junge, der Träume schenkte
des Salons, der vornehm und geheimnisvoll auf sie wirkte, und schämte sich ihrer schlichten Kleider. »Schwanz ...«, brachte sie in der ihr unverständlichen, feindseligen Sprache hervor, »Möse ... Arsch ... Mund.«
»Sehr gut, du lernst schnell«, lobte die junge Prostituierte.
Die Rothaarige nickte zustimmend. Dann räusperte sie sich und fuhr mit der Amerikanisch-Lektion fort: »Ich mach es dir französisch.«
»Ich mach ... es dir ... frasösisch ...«
»Französisch!«, rief die Rothaarige.
»Fran ... zösisch ...«
»Okay. Besorg es mir.«
»Besorg ... es mir ...«
»Los, du Hengst, komm jetzt, komm jetzt. Ja, so ist gut.«
»Los ... du Hengst ... kommetz, kommetz ... Ja, so ist kutt ...«
Die Rothaarige stand auf. Sie raunte der Prostituierten, die für sie übersetzte, etwas zu und verließ den Raum, jedoch nicht, ohne Cetta zuvor unerwartet sanft und mit einem wohlwollenden Blick, der herzlich und melancholisch zugleich war, über die Wange zu streicheln. Cetta sah ihr nach, als sie hinausging, und war voller Bewunderung für ihr Kleid, das ihr ausgesprochen vornehm erschien.
»Komm jetzt«, forderte die junge Prostituierte sie auf.
»Los, du Hengst, kommetz, kommetz ...«, sagte Cetta wieder.
Die Prostituierte lachte. »Komm ... jetzt«, berichtigte sie sie.
»Komm ... jetzt«, sprach Cetta nach.
»Sehr gut.« Die Prostituierte hakte sie unter und führte sie durch die abgedunkelten Räume der großen Wohnung, die wie ein Palast wirkte. »Hat Sal dich schon gekostet?«, wollte sie mit verschmitztem Blick wissen.
»Gekostet?«, wiederholte Cetta verständnislos.
Die Prostituierte lachte. »Anscheinend nicht. Sonst hättest du leuchtende Augen und würdest nicht fragen.«
»Wieso das?«
»Das Paradies kann man nicht beschreiben«, antwortete die Prostituierte und lachte wieder.
Schließlich betraten sie ein schlichtes, weiß gestrichenes und im Unterschied zu den restlichen Räumen lichtdurchflutetes Zimmer. An der Wand hingen Kleider, die Cetta wunderschön fand. Mitten im Raum stand ein Bügelbrett mit einem Kohlebügeleisen. Eine dicke ältere Frau, deren Miene Gehässigkeit verriet, nickte ihnen zur Begrüßung nur achtlos zu. Cetta verstand nicht, was die Prostituierte zu ihr sagte. Die Alte kam aber daraufhin auf Cetta zu, hob ihr die Arme an und musterte sie, befühlte ihre Brüste und ihren Po und schätzte mit prüfendem Blick ihre Hüften ab. Dann ging sie zu einer Kommode und suchte ein schwarzes Mieder heraus, das sie Cetta verdrießlich vor die Füße warf.
»Du sollst dich ausziehen und es anprobieren«, erklärte die Prostituierte. »Mach dir nichts aus ihr. Sie ist eine fette alte Schreckschraube, zu hässlich, als dass sie je in ihrem Leben auf den Strich hätte gehen können, und ohne einen Schwanz ist sie versauert.«
»Pass bloß auf, ich verstehe alles«, warnte die Dicke sie in Cettas Sprache. »Ich bin auch Italienerin.«
»Aber eine alte Hexe bist du trotzdem«, gab die Prostituierte zurück.
Cetta lachte. Doch als die Alte sie böse anblitzte, wurde sie sofort rot, schlug die Augen nieder und begann, sich auszuziehen. Sie legte das Mieder an, und die Prostituierte zeigte ihr, wie man es zuschnürte. Cetta kam sich seltsam vor. Auf der einen Seite empfand sie ihre Nacktheit als demütigend, auf der anderen Seite verlieh ihr das Mieder, das sie für vornehm hielt, ein Gefühl von Bedeutsamkeit. Einerseits war sie aufgeregt, andererseits erschrocken und ängstlich.
Der Prostituierten entging das offenbar nicht. »Sieh dich mal im Spiegel an«, ermutigte sie sie.
Cetta trat einen Schritt vor. Mit einem Mal aber war ihr linkes Bein wie taub. Der Schweiß brach ihr aus. Sie zog das Bein nach.
»Hinkst du?«, fragte die Prostituierte.
»Nein ...« In Cetta stieg Panik auf. »Ich habe ... mir nur wehgetan ...«
In dem Moment warf die dicke Alte ihr ein tiefblaues Satinkleid mit einem langen Schlitz, der die Beine zur Geltung brachte, und einem mit schwarzer Spitze gesäumten Ausschnitt zu. »Nimm das, Hure«, sagte sie.
Cetta schlüpfte hinein und betrachtete sich dann im Spiegel. Unvermittelt brach sie in Tränen aus, denn sie erkannte sich nicht wieder. Sie weinte vor Dankbarkeit für dieses Amerika, das ihr all ihre Träume erfüllen und aus ihr eine echte Dame machen würde.
»Komm mit, es wird Zeit, dass du dein Metier lernst«, forderte die Prostituierte sie auf.
Sie verließen die Schneiderei, ohne sich von der dicken Alten zu verabschieden, und
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