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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Gespött hinterrücks erdolcht zu werden; sie fürchtete die Finger, die auf sie zeigten, sobald sie nicht hinsah, und sie als Ehebrecherin brandmarkten, als die Frau, die mit einem Jungen geschlafen hatte, der ihr Sohn sein könnte. Sie hatte nicht die Kraft, auf ihren schmalen, gepflegten Schultern, die sie einmal voller Stolz gezeigt hatte, die Last der Verleumdung zu tragen.
    »Ihr habt euch von einem Furz vernichten lassen«, ließ sich beinahe jeden Abend nach dem Essen der alte Opa Saul vernehmen, während er in seinem Sessel saß und sich die vom Druck der Brille geplagte lange, schmale Nase rieb.
    Wortlos senkten sein Sohn und seine Schwiegertochter dann den Blick. Sie hatten nicht widersprochen, als der alte Mann den Satz zum ersten Mal gesagt hatte. Und nun hatten sie dazu keinen Grund mehr.
    Niemand lächelte in dem großen Haus, das für Ruth düster geworden war. In den Spiegeln sah man keine Gäste mehr, die durch den Salon tanzten. Auch erstrahlte der Park nicht länger im Licht der Fackeln beim sonntagabendlichen Barbecue. Und am Flügel versuchte sich niemand mit Laienhand als Musiker; kein professioneller Musiker sorgte an Abenden im Kreise von Freunden für Unterhaltung. Es war, als wären sämtliche Fensterläden, die Haustür und das Tor am Ende der Allee verriegelt.
    Und das alles wegen eines Furzes.
    Ruth war dreizehn Jahre alt und durfte abends das Haus nicht verlassen. Doch ihr Haus war düster und trist, dachte Ruth ohne Unterlass. Niemand lächelte – nur der Gärtner, ein neunzehnjähriger Junge, der seit einigen Monaten die Balkonpflanzen in der Park Avenue pflegte und sich nun, da er einen Pritschenwagen gekauft hatte, auch um den Landsitz in New Jersey kümmerte. Er lachte ständig. Und er war Ruth sofort aufgefallen. Nicht seines Aussehens, seiner Intelligenz oder seiner Jugend wegen, und auch sonst war nichts an ihm besonders. Einzig des Gelächters wegen, das ihm plötzlich und unaufhaltsam aus der Kehle sprudelte, hatte er gleich Ruths Aufmerksamkeit erregt. Sie fühlte sich nicht zu ihm hingezogen, aber sie ließ sich bezaubern von seinem unbekümmerten Lachen, das losbrach, ohne dass ein Außenstehender verstand, warum, und das gegen die düstere Atmosphäre im Haus zu verstoßen und sie zu entweihen schien. So brauchte er, wenn er vielleicht gerade damit beschäftigt war, das Efeu draußen vor der Garage zu beschneiden, nur im glänzenden Kotflügel eines der zum Haus gehörenden Autos irgendein verzerrtes Spiegelbild zu entdecken, um unvermittelt in Gelächter auszubrechen. Und er lachte, wenn Ruth ihm am Nachmittag eine Limonade brachte oder wenn der Großvater ihn in seiner rüden Art wegen irgendetwas tadelte. Auch lachte er über die alte Köchin, die trotz ihres Alters noch immer keinen so guten Truthahnbraten zubereiten konnte wie seine Mutter; er lachte über plötzlich hereinbrechenden Frühlingsregen und über die Sonne, die danach in den Pfützen funkelte; über eine krumm gewachsene Blume oder über einen Grashalm, der sich im Rad der Schubkarre verfangen hatte; über eine Amsel, die mit einem Wurm im Schnabel über den Kies hüpfte, oder über einen quakenden Frosch im künstlich angelegten Parkteich; über lustige Wolkengebilde ebenso wie über den breiten Hintern der Zofe.
    Er lachte über alles und jeden und hieß Bill.
    Und eines Tages hatte er zu Ruth gesagt: »Warum gehen wir nicht mal abends aus, du und ich, einfach so, um ein bisschen zu lachen?«
    So kam es, dass Ruth, obwohl sie erst dreizehn war und niemals die Erlaubnis bekommen hätte auszugehen – schon gar nicht mit einem einfachen Gärtner wie Bill –, an jenem Abend ihre Eltern und den Großvater ihrer freudlosen Stille überließ und heimlich hinunter in die Wäscherei schlich. Von dort gelangte sie zum Hintereingang, der den Lieferanten vorbehalten war. Dort erwartete Bill sie lachend. Und auch sie lachte, als sie in seinen Pritschenwagen stieg – sie lachte wie eine vom Leben gelangweilte und verwöhnte Dreizehnjährige.
    »Ich habe auch ein Auto, siehst du?«, sagte er stolz.
    »Ja«, antwortete Ruth und lachte, ohne zu wissen, warum. Vielleicht lachte sie nur, weil sie mit einem wie Bill ausging, der über alles in Gelächter ausbrach.
    »Du musst wissen, es gibt nicht viele, die ein Auto haben«, erklärte er.
    »Ach ja?«, gab sie wenig interessiert zurück.
    »Du bist eine dumme Gans. Glaubst du etwa, alle wären so reich wie dein Opa oder dein Vater? Was ist, ist dir ein Pritschenwagen

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