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Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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schwach.
    »Aber mir musst du morgen erklären, warum du dich versteckst.«
    Ruth sah ihn an. Sie hätte ihn umarmen sollen. Er war ihr Retter. »Morgen ...«, sagte sie leise. Sie hätte ihn küssen sollen. Mit der Zeit, dachte sie und ließ sich ins Haus führen, das nach Mehl und Apfelkuchen und Lavendel für die Wäsche roch.
    Leise stiegen sie die Treppe hinauf. Daniel wachte vor der Badezimmertür, während Ruth sich wusch und ihre Schürfwunden reinigte. Dann ging er mit ihr in sein Zimmer, zeigte ihr, wo sie das Licht ein- und ausschalten konnte. Er errötete, als er ihr einen wohlriechenden Männerpyjama reichte, und deutete auf Ronnies Zimmer.
    »Ich bin da drüben«, erklärte er. Er blieb stehen und sah sie an. Langsam beugte er sich dann zu Ruth hinunter.
    Sie drehte leicht den Kopf und hielt ihm die Wange hin.
    Daniel küsste sie sanft. »Gute Nacht«, sagte er mit einem verlegenen Lächeln, bevor er das Zimmer verließ und die Tür hinter sich schloss.
    Ruth schaltete das Licht aus, öffnete die Zimmertür einen Spalt und lauschte nach draußen.
    »Was ist los?«, hörte sie Ronnie nebenan verschlafen fragen.
    »Rück rüber und sei still«, sagte Daniel.
    »Verfluchter Bastard, das wirst du mir büßen ...«
    »Schlaf jetzt.«
    Ruth sah, wie der Lichtschein, der unter der Tür hervorschimmerte, erlosch. Dunkelheit legte sich über das Haus. Da ging sie hinüber zum Bett, zog sich aus, streifte den Pyjama über und schlüpfte unter die Decke. Mattes Mondlicht warf Schatten in den Raum und ließ alle Konturen seltsam rund erscheinen.
    Ruth vergrub das Gesicht im Kissen und atmete Daniels sauberen Duft ein. In der Nase aber hatte sie noch immer den herben Geruch von Liebe, Sex und Leidenschaft, den Geruch von Christmas’ Haut. Und sobald sie die Augen schloss, sah sie sein angespanntes, verschwitztes Gesicht vor sich. Sie sah seinen Mund, seine feuchten Lippen, spürte seine Hände, die Wärme seines Körpers. Und sie hörte ihren keuchenden Atem immer schneller gehen und sich zu einem einzigen Atem vereinen, ihre Körper ineinander verschränkt und miteinander verschmolzen. Einer der Gefangene des anderen, vereinigt von Verlangen und Ekstase, die sie immer noch zwischen ihren Beinen spürte, überwältigend und ursprünglich. Von einer Ekstase, die auch jetzt noch ungestüm pochte, wo Ruth zuvor nichts als Schmerz und Erniedrigung erfahren hatte, die ihr den Atem hatten stocken lassen, als die brennende Lust ihren Höhepunkt erreicht und sie in dieses glühende, zeitlose Chaos gestürzt hatte, das dem Tod so ähnlich war. Das absolute Leben.
    Ruth riss die Augen auf. Verstört machte sie Licht. Sie setzte sich im Bett auf und schluckte die Tränen hinunter.
    Dann stand sie auf und kauerte sich in einen geblümten Sessel neben dem Fenster. In Daniels Bett, zwischen den sauber duftenden Laken, fühlte Ruth sich unwohl. Ihr war, als beschmutzte sie sie mit ihrem Geruch nach Frau, gegen den keine Wäsche etwas würde ausrichten können. Den sie auch niemals abwaschen würde. Um diesem Geruch nachzuspüren, roch Ruth an ihrer Haut und streichelte sich behutsam, als suchte sie in dieser Berührung eine Entschädigung für ihren Verzicht auf Glückseligkeit, zu dem sie sich entschlossen hatte, für immer, um nicht verrückt zu werden.
    Im Morgengrauen schreckte sie aus dem Schlaf auf. Sie hatte keine Ahnung, wann sie eingeschlafen war. Die ersten Sonnenstrahlen hatten das diffuse Mondlicht abgelöst.
    Sie stand vom Sessel auf. Ihr Kopf fühlte sich schwer an, alle Knochen taten ihr weh, die Schürfwunden am Knie spannten. Noch einmal betrachtete sie Daniels Bett. Zärtlich, aber leidenschaftslos strich sie über das Kissen. Ruth stellte sich den Moment vor, wenn die Slaters erwachten. Sie stellte sich das gemeinsame Frühstück mit Krapfen und Honig vor und den Duft nach Kaffee und Rasierseife. Die Harmonie des Morgens würde durch ihre, Ruths, Anwesenheit, durch Lügen und Verlegenheit getrübt werden. Und dann würde sie Daniel erzählen, dass sie mit einem Mann zusammen gewesen war, dass sie sich als Frau gefühlt hatte. Sie würde ihm von Christmas erzählen, von ihrem Versprechen, von ihrem Einklang, von ihrem Einssein, auch von der Bank im Central Park, von dem roten Herzanhänger, von Bill, vom Krankenhaus, von ihrer Abreise aus New York, gerade als sie beschlossen hatte, den Kobold aus der Lower East Side zu küssen. Und plötzlich sah sie Daniels empfindsames Gesicht vor sich, sein Mienenspiel. Seine

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