Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge, der Träume schenkte

Der Junge, der Träume schenkte

Titel: Der Junge, der Träume schenkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
Vom Netzwerk:
Christmas ihn an.
    Sofort schlug der Mann die Wohnungstür zu.
    Noch grimmiger stürzte sich Christmas auf die Tür zur Agentur und hämmerte mit aller Kraft dagegen. »Ich weiß, dass du da bist, Ruth!«, schrie er, und die schwindende Hoffnung ließ seine Stimme immer brüchiger klingen.
    »Junger Mann, Sie schlagen mir ja noch die Tür ein«, sagte Clarence, der in einem blau-rot gestreiften Morgenmantel die Treppe herunterkam. Seine Miene wirkte besorgt.
    Christmas stürzte zu ihm hin. »Wo ist Ruth?«, fragte er und packte ihn am Kragen.
    Abermals ging die Wohnungstür gegenüber auf. »Soll ich die Polizei rufen, Mr. Bailey?«, fragte der Nachbar.
    »Nein, nein, Mr. Sullivan«, antwortete Clarence mit erstickter Stimme, so fest hatte Christmas ihn gepackt. »Es ist alles in Ordnung.«
    »Sind Sie sicher?«
    Clarence sah Christmas ins Gesicht. »Lassen Sie mich los, junger Mann.«
    Christmas ließ von ihm ab und lehnte sich schwer atmend an die Wand des Hausflurs. »Sie ist nicht hier, stimmt’s?«, sagte er niedergeschlagen.
    »Gehen Sie ruhig wieder rein, Mr. Sullivan«, wandte Clarence sich an den Nachbarn, der sie noch immer erschrocken beobachtete.
    »Ich werde mich beim Hausverwalter beschweren ...«, hob Sullivan an.
    »Hau ab!«, brüllte Christmas.
    Der Mann schloss die Tür.
    »Wo ist Ruth?«, fragte Christmas, und seine Stimme klang hoffnungslos.
    »Ich dachte, ihr wärt zusammen«, gab Clarence misstrauisch zurück.
    Christmas verbarg das Gesicht in den Händen und sank mit dem Rücken an der Wand zu Boden. »Warum?«, fragte er leise.
    »Haben Sie Ruth etwas angetan?«, wollte Clarence mit plötzlicher Härte in der Stimme wissen.
    Christmas hob den Kopf und sah ihn entgeistert an. »Ich ... ich liebe sie ...«
    Clarence musterte ihn kurz, bevor er den Kopf schüttelte. »Junger Mann, ich brauche jetzt einen schönen, starken Kaffee. Und ich glaube, Sie könnten auch einen vertragen. Kommen Sie mit zu mir nach oben.« Er streckte ihm die Hand entgegen, doch Christmas schien ihn gar nicht wahrzunehmen.
    »Wenn sie hier nicht ist, wo kann sie sein?«, fragte er stattdessen.
    Clarence seufzte. »Sie wollen partout keinen Kaffee, richtig?« Die Anstrengung war ihm anzusehen, als er die alten Knie beugte und sich neben Christmas niederließ. »Was ist passiert? Geht es Ruth gut?«
    »Ich weiß es nicht ...«
    »Wieso erzählen Sie mir nicht alles?«
    »Sie wird hierher zurückkommen, oder?«
    »Ich fange langsam an, mir Sorgen zu machen, junger Mann. Ich frage Sie das jetzt zum letzten Mal, bevor ich die Polizei rufe«, sagte Clarence entschieden. »Geht es Ruth gut?«
    »Ich weiß es nicht ... ich ... Wir haben gelacht, wir waren glücklich, und dann ... dann war sie plötzlich nicht mehr da. Sie ist weggelaufen.« Christmas sah Clarence an. »Warum?«, fragte er ihn. »Helfen Sie mir, bitte ...«
    »Hilf mir, Daniel, bitte«, wisperte Ruth.
    Erschrocken schaute er sie an. Ruths Haare waren zerzaust, ihre Knie zerschrammt. Sie war verschwitzt und schmutzig. »Was ist passiert?«, fragte er.
    Ruth hatte nicht an die Tür geklopft, als sie vor dem Reihenhaus angelangt war. Sie wollte nicht, dass die Slaters sie in diesem Zustand zu Gesicht bekamen. Sie wollte keine Fragen beantworten. Sie war hinter das Haus gegangen und hatte ein Stöckchen an Daniels Fenster geworfen. In seinem Zimmer hatte noch Licht gebrannt, und sofort hatte der Junge das Fenster geöffnet. Ruth hatte den Finger an die Lippen gelegt und Daniel zu sich heruntergewinkt.
    Nun standen sie neben der weiß gestrichenen Palisade im Schutz eines großen Baumes voreinander.
    »Was ist passiert?«, fragte er erneut.
    »Nicht jetzt, Daniel«, sagte Ruth und sah immer wieder besorgt zum Haus hinüber. »Hilf mir ...«
    »Was soll ich tun?«
    »Versteck mich. Und halt mich fest.«
    Daniel nahm Ruth in die Arme. »Wieso musst du dich verstecken?«
    »Nicht jetzt, Daniel. Nicht jetzt.«
    »Komm, lass uns reingehen«, ermunterte er sie und nahm sie bei der Hand.
    »Ich schlafe in der Garage«, entgegnete sie.
    »Red keinen Unsinn. Du schläfst in meinem Zimmer. Ich übernachte bei Ronnie«, beruhigte er sie, als sie zurückwich.
    »Und was sagen wir deinen Eltern?«
    »Wieso musst du dich verstecken, Ruth?«
    Sie blickte zu Boden.
    »Meinem Vater und meiner Mutter erzählen wir morgen, dein Vermieter hätte dich vor die Tür gesetzt.«
    »Einfach so, von jetzt auf gleich?«
    »Wir behaupten, er wäre ein Ekelpaket«, grinste Daniel.
    Ruth lächelte

Weitere Kostenlose Bücher