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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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breite Eichentür schien ihn für endloses Irren und qualvollen Hungertod halten zu wollen. Harter Zugriff erzwang Blick in die wahrere Welt.

17
    Denn draußen erstaunte er. Nach Staub und entmutigender Trostlosigkeit war hier Sonne über einem weiten Platz. Das sich in Schneewasserpfützen spiegelnde Himmelsblau verlockte zu tieferem Atmen und weitem Marsch.
    »Was war ich dumm! Können sie mir etwas tun? Dies allein bleibt.«
    Er schob die Mütze aus der Stirn. »Welche Tragik! Um zwei Stunden Karzer! Die Eltern müssen verstehen, wie das nicht zählt. Freilich …«
    Er schwankte. Dann, Ilses Wohnung zugehend: »Jetzt noch nicht nach Haus. Zu spät bin ich sowieso. Vielleicht treffe ich sie.«
    Er sah die Straße hinab. »Noch nichts. – Ich werde ihr entgegengehen.«
    Zwei Hunde liefen umeinander. Die Füße im Schnee, sah er ihnen zu. »Es heißt nur darüberstehen. Lächeln können, humoristisch-überlegen sein. – Was beriechen sie sich so? Tun das alle? Warum? Was suchen sie? – Ekelhaft! Aber …«
    Er meinte einen Blick zu fühlen und ging zusammenfahrend rasch weiter. »Schäme ich mich, weil ich den Hunden zusah? Die Menschen … nein, nein, jetzt nicht.«
    Seine Stimmung verfinsterte sich. »Auch Ilse kommt nicht. Noch warte ich zehn Minuten.«
    Er stand mit der Uhr in der Hand. »Warum sehen mich alle an? Wieder bekomme ich Angst. Der Mut, den mein Verstand befiehlt, ist nicht in meinem Herzen. Was stehe ich hier? Auch bei ihr werd ich mich fürchten. Und nichts sagen können. – Nach Haus?«
    Heimgehend sah er über seine Schulter, blieb stehen. »Dortist sie! – Nein –: nicht, aber ich werde noch zehn Minuten warten.«
    Auf das Zifferblatt starrend: »Schon vierzig Minuten Verspätung. Wie wird Mama schelten. Dann Karzer, dann der Hase. Wenn wenigstens Ilse käme! Ich würde sagen: Ihretwegen tat ich’s. Dann hätt ich Mut. Sie allein kann helfen.«
    Kai erschrak. »Dort ist sie! Allein!«
    Versteckt hinter Wagen beschwor er: »Ilse! – Sie sieht mich nicht. Nein, ich weiß nichts zu sagen.«
    Er folgte ihr, nah vor ihm schlug der blaugraue Stoff ihres Kostüms Falten. An ihrer braunen Pelzmütze war ein weißer Streif. »Vielleicht sieht sie sich um.«
    Ein Mann stieß ihn an, die Mappe entglitt Kai. Sich bückend, dunkelrot: »Wenn sie mich jetzt sähe.«
    Die Haustür fiel hinter ihr zu. Von der andern Straßenseite überflog er die Fenster. »Nun ist sie oben. Vielleicht sieht sie heraus. Nichts. Nichts. Ach, warum sprach ich sie nicht an! Verbogen ihr nachschleichend, sehnte ich mich, sie sprechen zu dürfen und – schwieg. Nun wieder stehe ich vor ihren Fenstern. Plötzlich mutig geworden, erträume ich Kombinationen, in denen sie mich liebt, der ich Gelegenheit hatte, ihr alles zu sagen. – Sie kommt nicht. Worauf warte ich noch? Warum ging ich ihr entgegen?«
    Auf einem Eisstreifen gleitend, fallend wusste er: »Ich hatte Angst vor den Eltern! Das war alles. Wer versteckte mich vor mir?«
    Er klopfte sich den Schnee ab. »Und nun gehe ich nach Haus. – Es hilft ja doch nichts.«

18
    Hinter sich ließ das Mädchen die Tür zum Arbeitszimmer des Vaters den Blicken Kais offen. Noch schliefen die Eltern. Vom Klappern der Teetassen aufgeschreckt, langte der Vater tastend nach seiner Zeitung.
    »Ist Kai gekommen?«
    »Der junge Herr? Ja, Frau Staatsrat. Vor einer halben Stunde.«
    »Rufen Sie ihn.«
    Und Erna warf Kai im Fortgehen einen Blick zu, der lächeln zu wollen schien. Ihr Kleid rauschte, eine Falte streifte seine Hand. Dann ging die Tür. »Und nun …«
    »Hier, dein Toast, Heinz.«
    Kai trat vor. »Guten Abend, da bin ich.«
    Im Aufblick fragte die Mutter: »So spät! Hast du schon gegessen?«
    »Alles erledigt. – Die Mathematikarbeit dauerte so lange.«
    Indem sie die Teetasse absetzte: »Es ist doch gut gegangen?«
    »Nein. Leider nicht. Ich habe Pech gehabt.«
    »Wie denn? Pech! Hast du die Aufgaben nicht herausbekommen?«
    »Nein. Nein. Ich habe sie nicht herausbekommen.«
    »Alle nicht?!«
    »Alle nicht …«
    Die Uhr tickte und tickte. Das Muster des rotsamtigen Sessels war Kai ganz nahe, er strich darüber hin. Eine Zeitung knitterte, die Stimme des Vaters sagte: »Und das sprichst du so ruhig aus …! Wenn du keine Aufgabe gelöst hast, so bekommst du eine Fünf, und das bedeutet bei deinen früheren Leistungen ein Ungenügend in Mathematik. Dann bleibst du zu Ostern sitzen. Hast du dir das klargemacht?«
    Ein Teelöffel klirrte, das Uhrwerk zerriss wieder Zeit

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