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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Kai? Du redest, aber sagst nicht wie.«
    »Vielleicht, dass ich ihr einen Brief schriebe …?«
    »Einen Brief? An Margot? Die blonde Margot?«
    »Dass ich ihr endlich wieder sagte, wie es einmal war, früher, alles, was sie vergessen. Dass da nur eines ist, wert, gelebt zu sein: ein wenig lieb haben, ein wenig gut sein.«
    »Sie wird ihn zerreißen.«
    »So bekommt sie einen neuen.«
    »Sie wird darüber lachen, ihn ihren ›Kolleginnen‹ zeigen.«
    »Der Stachel bleibt!«
    »Verrückt, Kai, total verrückt, so ein Mädchen aus einem Nachtcafé.«
    »Grad darum, Arne.«
    Er zuckte die Achseln, schwieg. Wieder sahen sie zum Himmel. Neu aufjagender Wind prickelte ihre Gesichter mit feingefrorenem Schnee.
    »Ich muss nach Haus, Kai.«
    »Also denn morgen in der Penne.«
    »Und du bist nicht mehr böse, Kai, wegen der Mathematik …«
    »Nein. Nein. Servus, Arne.«
    »Servus, Kai.«
    Den Wind im Rücken, verdunkelte Straßen durcheilend, dachte Kai: »Wenn sie gemerkt haben, dass ich fortging … Ach, ich werde an Margot schreiben, sie wird mich lieben.«

21
    Im Bett hochfahrend, während kaum ein erstes Dämmern die Gardinen durchdrang, murmelte Kai: »Was ist geschehen! Irgendetwas vergaß ich! Was …? Ich kann es nicht finden.«
    Aber nun, über die Waschschüssel gebeugt – Wasser rann von seinem Gesicht –, entglitt der Schwamm den Händen. »Wo war ich? Alles vergessen? Und Hans? Hans! Nicht an ihn gedacht, er allein, im dunstigen Dunkel des Kohlenkellers ihnen ausgeliefert.«
    Er sah sie, sah die flüsternden Schatten der Eltern, die leise waren. »Ja, sie gingen auf den Zehenspitzen, ob sie schon wussten, dass ich nicht kommen konnte , ihnen zu allem Anfang darum unterlegen, weil mich die Schule hielt, als sie suchen durften.«
    Er zerdrückte das Handtuch. »Nein, ich lüge für mich! Nachmittags, nur an meine Befreiung dachte ich. Er – allein.«
    Weichheit durchrann ihn. Bebend leugnete er Berechtigung zum Verdachte, schon geschehenen Verlust. »Nein, er ist da! Die Schnauze an das Drahtgitter gepresst, wartet er auf Kohlblätter aus meiner Hand.«
    Wie süß schmeckte im Munde diese umsonst gefühlte Angst! Doch jetzt, die Kellertreppe hinabsteigend, verzögerte sich sein Schritt, an den Türpfosten gelehnt, suchte Kai mit seinem Blick das beschmutzte Dunkel zu durchdringen. Seine Hände tasteten in den Winkel, bestreiften sich staubig an erstarrtem Koks, feuchteten sich neu mit der verschlickten Nässe des Backsteinbodens.
    Nichts! Leer der Winkel. Kein wolliger Anprall des endlich sehnsuchterfüllten Tierleibes an die Käfigbretter.
    Kai stand. Um ihn das Dunkel, aus missförmig getürmten Kohlenhaufen erhöht, schien nun lautlos in eine unbegreiflicheTiefe zu stürzen; allein blieb er stehen, grenzenlos erhöht, getrennt von den Menschlichkeiten der andern, auf einem handtuchbreiten Stück Bodens, das schon abbröckeln zu wollen schien, um auch ihn hinabzustürzen in Tiefen einer verwaschenen Zusammengeschlossenheit, aus denen es keine Rückkehr in Alleinsein gab.
    »Erst die Puppen. Nun auch du, du Hans, mir fortgenommen! Keine Trennung hilft. Sie reißen die Wände nieder. Im Verstohlenen mich aufspürend, werden sie, zur Rede gestellt, alles für einen Scherz erklären.«
    An die Treppe vorgesprungen, die harte Hüfte ins Geländer gepresst, schrie er zu jenen oberen Räumen hinauf: »Wie ich euch hasse! Soll ich sagen, wie ich euch hasse! Ach, ihr wisst nichts von Reinheit, die ihr alles durch Teilhaben beschmutzt.«
    Deckenwölbungen fingen den Klang der Worte, gaben ihn weiter, und jetzt wiederholte einer, im Dunkel hinter ihm stehend, zum Unkenntlichen verzerrt, jene Sätze, die nun ganz von irgendwelchem düsteren und geheimnisvollen Sinne erfüllt schienen – wiederholte sie in sein Ohr.
    Herumfahrend suchte Kai im Dämmer des gekalkten Bodens diesen, der das Wort »Reinheit« wie einen unwahren Vorwand aussprach, doch die Wölbungen waren von Tönen entleert, versteckt jener Sprecher; aber nun schien am Boden, einem kläglichen, immer wieder beinahe versickernden Rinnsal gleich, ein kleines Kratzen entlangzuschleichen, das sich an seine Füße wie eine Beruhigung hockte.
    Näher dem klaffenden Türspalt mied er den Anblick jenes Griffs, um den er, gestern scheinbarer Sieger, heut schon besiegt, mit seiner Mutter gekämpft.
    Später erschaute er am alten Platz den Käfig; niederstürzend zerriss er seine Nägel am Vorstecker, der Öffnung desGitters verschloss, – doch da hockte wieder

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