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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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anbieten?«
    »Aber deswegen sagte ich es doch nicht! – Nun, sehr liebenswürdig!«
    »Hier ist Feuer.«
    In den Sessel zurückgelehnt, die ersten Züge einer milden Zigarre auf dem hinteren Gaumen kostend: »Ich hatte mich etwas erregt. So dienen wir der Sache nicht.«
    »Zweifelsohne nicht.«
    »Sie mögen in so manchem Recht haben.«
    »Meine Vorschläge waren vielleicht zu weitgehend.«
    »Sie sahen sehr düster, zu düster.«
    »Vielleicht.«
    »Eine Entschulung Kais …«
    »… ist vielleicht nicht notwendig, wenn andere Maßnahmen getroffen werden«, und der Arzt senkte die Lider.
    »Darf ich Vorschläge erbitten?«
    »Lassen Sie Kai unbehelligt. Er hat Bedürfnis nach Alleinsein, Selbständigkeit. Mag er’s befriedigen.«
    »Einverstanden.«
    »Etwas Brom vor dem Schlafengehen. Kalte Abwaschungen morgens und abends.«
    »Sehr wohl.«
    »So wird sich die Nervosität beheben lassen.«
    »Wie unnütz meine Erregung! – Ich danke Ihnen vielmals.«
    »Keine Ursache. Ich bitte um Empfehlungen an die Frau Gemahlin.«
    »Werden dankend ausgerichtet.«
    Staatsrat Goedeschal wandte sich zum Gehen. »Noch eins. Kai möchte gern in den Wandervogel. Was meinen Sie dazu?«
    »Wandervogel? Dieser Jungensverein? Ausflüge? – Natürlich. Wie gesagt, nicht behelligen.«
    Eine Pause. Sie betrachteten ihre nach der Erregung wie verwelkten Gesichter.
    »Und ihm Szenen ersparen, Szenen jeder Art.«
    Auf einen fragenden Blick: »Bestrafungen … nun, Sie wissenschon, was ich meine, sehr verehrter Herr Staatsrat. Guten Abend.«
    »Guten Abend, mein lieber Herr Doktor.«

29
    »Träume ich? Wandelst du im Schlaf, Kai? Hier stehst du im Keller, die im Windzug flackernde Kerzenflamme entreißt einer Dunkelheit, die Nirwana ist, unförmige Gestalten, am Tag Tisch und Schrank, nun seltsam erstarrt in einer Stunde, da du ungebetener Gast bist.«
    »Tritt näher. Nein, nicht fällt die Decke auf dich. Scheint sie auch im huschenden Lichte zu stürzen – schon meinst du das Rieseln von kalkigem Schutt zu spüren –, so will sie doch nichts von dir. Anderes will dich.«
    »Was zögerst du? Tritt näher!«
    »Du verweilst? Dort in der Schrankecke – kein bleiches Gesicht hebt sich als zuckende Blume dir zu; es ist ein Tuch, das die Mädchen auf der Leine vergaßen. – Dort am Boden der Verkrümmte, er greift nicht nach deinem Fuß; ein zusammengerollter Teppich, ohne Leben. Anderes will dich.«
    »Tritt näher. Dort im Winkel …«
    »… du atmest nicht …?«
    »Ah! Du weißt!«
    Kai glitt, stürzte. Wände taumelten, schwarz und weiß funkelten sie in seine Augen, kaltes Sausen zerblies seinen Nacken, ein endloser Arm griff nach ihm, – das zu Boden geglittene Licht erlosch.
    Eine Stimme, fiebrig und ganz klein, blies ins DunkelWorte, schon aufgelöst und nie dagewesen: »Papa! Mama! Papa, hilf mir! Hier liege ich! Sie greifen mich! Hilfe! Hilfe!«
    Das Gesicht, den Leib dem Bretterboden angeschmiegt, fühlte er Kälte in den nur hemdbekleideten Leib aufsteigen, Kälte, die von jenem kleinen Schwarzen in der Ecke streicht.
    »Wie eisig mein Arm! Schmiegt er sich an mich? Hans! Hans! Es war Papa! Es war Papa!«
    Er lauscht. Es ist still, schwarz und still. So schwarz: Es kann sich auf ihn legen und ihn erfrieren machen, nichts wird er kommen sehen. Schon schleicht es vielleicht. Und in dieser Stille wird jeder Hilferuf verhallen, wie ein Stein, kaum aufspritzend, in den schon wieder geschlossenen Wasserspiegel fällt.
    »Was zauderst du? Entzünde die gefallene Kerze. Es ist nichts. Hebe den Kopf. Die Hand vor das Licht gehalten, richte seinen Schein nach jedem Winkel. Alles wie sonst.«
    »Fürchtest du etwa das Kleine dort, das Gestreckte, das Starre, das Eisige? Auch das ist nichts – ein krepiertes Kaninchen, das du verscharren wirst.«
    »Tritt näher. Es tut dir nichts. Es ist ganz tot. Nicht mehr da. Nur noch Form.«
    »Was zitterst du? Deine Hände beben. Du brauchst es nicht anzurühren. Schiebe den Spaten darunter.«
    »Hier, den Gang. Der Schlüssel zum Garten steckt im Schloss. Öffne!«
    »Ah! – – – Siehst du, im Garten ist Mondschein. Den erwartetest du dir nicht. Lass das Licht auf der Treppe.«
    »Leise. Der Kies schmerzt kaum an den Sohlen. Denk dich hinein in das über den Spaten stehende, das Starre; so wirst du nichts wissen. – Linkerhand.«
    »Hier, auf den Laubhaufen lege es. Grabe. Kaum ist derBoden gefroren. Du musst es ja tun, auch diese Form will Ruh haben, selbst das Ausgeleerteste ist noch

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