Der junge Goedeschal - Roman
dass eine Dame im Spiel, rechtfertigt die Waffe. Die Gegner geben sich die Hand.«
Nun, auch das konnte man tun; aber, in das Heimstürmen der andern, fragte es wieder: »Warum begriffen sie mein richtiges Recht nicht? Ich selbst nicht? Warum?«
40
Schweigen wuchs im Zimmer wie Korn. Die Heizung summte. Unter dem Fenster auf den Steinplatten klappten Holzschuh.
Kai hob den Zettel. Eine geheimnisvolle Gestalt schien über ihm geweint zu haben: er war feucht, die Schriftzeichen verwischt.
Nun entglitt alles, im tieferen Schweigen war’s, als schmeichelten weiche Ähren seinen Händen, wimprige Grannen legten die Nerven zur Ruh. Ein leiser Wind ging auf, die Welt schwankte, fasrig gerändert, glühte Mohn zur Sonne und in den goldfarben gleitenden Blütenstaub gab er mit: dieses vom Morgen, Sorgen, Kümmernisse; alles.
Es glitt fort; eine neue Pflanze entrang sich dem früh Gefühlten, nicht mehr aus sich wies er Verantwortung ab; tiefere Ursache ahnend, kam es ihm, dass er, dass andere hatten leiden müssen, damit sie diese Zeilen schrieb.
Sein Leben – nun war es geändert, sein Schwanken – nun hatte das Bastband Liebe es jenem Halt geknüpft: Ilse. Sein Leben ihrer Handwölbung einfügend, sah er es ruhiger glänzen, stillerer Schein rief Verpflichtung zur Güte.
Ja, Güte, Gutsein. Nicht mehr hob er die Hand gegen andere, wies sie aus sich; indem Ilse ihn fasste, ward sie das Bindeglied zu allen Menschlichkeiten der Weite. In ihremSchoß sein Gesicht geborgen, wird er von sich tun: das Unreine, das Fremde, das Selbstische.
Ihrer beider Sein war verknüpft. So wenig noch, kleine Jahre der Schule, stille Jahre des Studiums, und schon sah er sich, mit ihr, bei ihr für des Lebens Wachsen, Ernten und Zur-Ruhe-Gehen.
Und indem er sich zwang, durch Ilses Herz zu denken, wies er nun sein geändertes Antlitz den Eltern, Geschwistern, Lehrern, Freunden – »Klotzsch!« Ein endloser Strom von Bitten entquoll seinen Lippen, eine dunkel rauschende Beichte, die er seinem neuen Leben, die er Ilse ablegte.
Nun war sie Anfang und Ende. All jene Dinge, die dem Irrenden ein unverständliches Leben aufgezwungen, brachen fort; befreit, erleuchtet von der Güte des Zweiseins sah er sich klarer, einliniger einer neuen Heimat zuwandern.
Zuwandern? Sie war da, ein paar Straßen weiter wartete sie sein, eine Breite, darin neu einzusäen all ihr entwachsenen Samen des Gutseins, Sonne, sich dreinzulegen, warm zu werden nach Liebe hin.
Er ging zu ihr, hinter der Tür summte die Heizung, wartendes Schweigen wuchs im Zimmer wie Korn.
41
Kleine, süße, dünne, dumme Rederei!
Ein roter Sessel knarrt auf, jäh belastet. Langsam verseufzt er. Schaffner stürmt zerrissenen Gesichtes. »Meldung: Dekan neigt das Ohr. Relegiert! Studiosus Martens ist relegiert!«
Schweigen. Frau Regierungssekretär Lorenz strahlt äugelnd. Knospen stickt Ilse, blickgestreift von Kai. Stimmklangbetäubtneigt Fräulein Lotte die Stirn. Schaffners Faust knöchelt. »Wie?!«
Niemand hatte gemuckst, Beruhigung schien gestattet. Flach und steil wie nur je hingen die gelben Gardinen.
Schwarzbewestet straffte sich Schaffners Brust. Ausatmend: »Man belegt Vorlesungen. Man schwänzt. Trotzdem fängt man Attestat. Da gewesen! Alles! Aber Fälschung! Unterschriftsfälschung!«
Sein Blick prüft Gesicht um Gesicht. »Herr Goedeschal! Unterschriftsfälschung!«
Kai starrt auf. »Unterschriftsfälschung. Jawohl. Herr Schaffner.«
Beruhigend meint Frau Lorenz: »Sie taten die Pflicht.«
Schaffners Lider sinken, stichelnd linst der gesperrte Blick. »Anzeige war Pflicht.«
Endlos dunkelrot zieht Ilses Arm einen Faden.
»Liebe Ilse. Lange Fädchen, faule Mädchen.«
Neu scheint dies nicht. Schaffner überschielend wägt Kai Einschlaf. Vielleicht sang man’s ihm zum Wiegentakt. Es macht so müde. »Fädchen. Mädchen. – Wohl von ›fade‹.«
Schaffner murrt fernstes Achsgeklapper. »Pflicht! Gewissenspflicht!«
Frau Lorenz schmalt die Lippen. »Mein Gatte, von der Regierung brachte er heim so eine melodiöse Melodie! Geh, Lotte, sieh, ob du’s auf dem Klaviere bringst.«
Fräulein Lottes Rücken ist beschwebt von einer breiten Schottenschleife. Das Piano stürmt. Ein Lichthalter klirrt. Verseufzend schweigt es.
»Es klingt so süß!«, zuckert Schaffner, wirft das Auge zum Deckengips.
»Nicht wahr? Wie er’s erst singt!«
»Mehr, ich bitt Sie, Fräulein Lotte.«
›Man weiß nicht, was Ilse etwa so denkt. Vielleicht ist sie zufrieden. Warum
Weitere Kostenlose Bücher