Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
Die Gänge brausten. Hinter Rücken der Lehrer geworfene Türen kündeten Unterrichtsanfang.
    Kurts Kopf perpendikelte. »Immer mach’s gut, Kai. Petzt Klotzsch, fällst du rein.«
    Und er stob davon.
    »Wird sich hüten.«
    Dies erreichte ihn kaum noch. Und jetzt auch ein kleines beunruhigt, ersprang Kai die Stufen. »Wird sich hüten. Aber wenn er sich nicht hütet? Seine verbundene Hand wird stärkste Waffe gegen mich.«
    Noch, als er die Mütze zum Haken warf, johlte es drinnen. Über seinem Eingang wurden sie stumm; flüsterten, als er sich setzte. Zum Nachbar wandte Kai das Gesicht. »Morgen.«
    Müller schwang fort, das Wort fiel ins Leere.
    In einem Buch blätternd: ›Also doch! Sie sind gegen mich, alle. Der helfen könnte, Arne, ist noch nicht da. Was wollen sie? Was geht sie das an? Ich habe nichts getan, nichts gewollt. Sie sind es, die Unwirklichem Leben hauchen. – Aller Augen warten auf mich.‹
    Da gellte es: »Hoch der Messerstecher!«
    Lineale klappten, Schuhe schurrten den Boden. ›Natürlich Marzetus, mit jedem Stank durch dick und dünn. – Nicht aufsehen!‹
    Es prasselte überall: »Rinaldo Rinaldini!« – »Forscher Willem!« »Blut, sag ich, Blut!« – »Die abgeschnittene Hand.«
    Er flüsterte: »Gemeinheit. Ich habe Recht.«
    Seine Lippen bebten. Vor seinen Augen schwang Weiß. Er sah auf: vor ihm, in weiße Gaze gehüllt, trieb Werners Hand.
    »Bist ja mächtig still, Goedeschal.«
    ›Wie gemein! Wollte ich gestern dies?‹
    »Seid still! Das Jungchen hat Angst.«
    Sie schwiegen wirklich. Einer hetzte: »Kssst!«
    »Hast wohl dein Messer vergessen?«
    Noch bebend: »Leider.«
    Werner fasste die Bank, nun stand auch Kai. Die Gesichter zuckten näher: Klotzsch, erglimmend, trank alles Rot aus Kais Haut.
    ›Er will mich prügeln!‹
    »Feste druff!«
    Ihr Blick glitt ineinander, bohrte, verhakte, verzahnte sich.
    »Hast wohl Angst, Goedeschal?«
    »Mach dir nur nicht in die Hosen …«
    Ihre Schultern streiften, schlugen zurück, fassten Druck. Noch schien es schwer, die Hände zu heben – »so wird Recht Unrecht« –, da schwang es Kai zu, er sprang zurück, stieß vor, packte, schrie. Krach donnerte auf, Staub schmeckte. Wollig vergriffen fühlte er tiefer Fleisch, riss es, rollte geschlagen, kam hoch, atmete glotzig und tauchte neu hinab in staubige Röte, bis es die Schultern brach, Arme verknäuelte, hoch schwang.
    Er taumelte. Seine Zähne rieben Dreck.
    »Schämt ihr euch nicht?«
    Bebenden Auges ersah er auf Arnes blickweisender Hand, im Türrahmen gedrängt: Pennälergesichter, die Brauen gezirkelt, mit genüssigem Mund. Hände zuckten gelächtergleich.
    »Schmeiß sie raus, die Kerls, Krebs! Und ihr –«, Arne wandte sich, seine Stimme dunkelte, »seid ihr des Teufels! Was ist los?«
    Alles prappelte.
    »Einer! – Du, Klotzsch!«
    »Goedeschal … Messerstich … mich …«, er keuchte, die Weste zerrissen, beweisend fuhr der Verband zu Arne.
    »Hast ihn gestochen, Kai …?«
    »Aber nein! – Doch ja, natürlich ja!«
    »Und warum?«
    Leise in sich: »Hier dies entspulen? Vor glotzköpfiger Klasse?« Und mit der Stimme schlenkernd, laut: »Gänzlich privat.«
    »Anderer Ansicht scheint Klotzsch. Er hat berichtet, nicht wahr?«
    Sie nickten.
    »Also …?«
    »Ich denke nicht dran, hier, coram publico …«
    Er hob sich; sie waren hinten. Ihre kleinen, greifgierigen Gebärden verwies er. »Ich bin Ich. Zwang? Nein! Verantwortung? Nichts da.«
    »Dir scheint Geprügel vor allen gemäßer? In einer Stunde weiß es der dümmste Sextaner, in zwei die Arschpaukerei. Wartest du drauf?«
    Bejahend stieß Wellhöhner Luft. Sein Stoppelkinn klotzte. »Wir müssen eingreifen, klarstellen. Eh erst die Pauker …«
    Die Tür knallte. Bäcker stieg zum Katheder.
    Kai sah sich allein. Ihre Blicke straften ihn Luft. Arne, erreicht, schwang zur Seite. Wenig Trost war`s, Klotzsch in Gleichem zu wissen.
    »Sie verdammen mich ungehört. Mein ist das Recht, so und so.«
    Er wog es, aus Hand zur Hand. Es hielt stand, war sein Recht. Ihm war es, als müsse er nun, vortretend, erhöht über sie – auf dem Katheder etwa –, Zeugnis ablegen für sich unddas dunkle Gewölle in ihm, das, gewägt und erwogen, sein Recht hieß. Es erbitterte so, den Mund versiegelt, Ecke zu stehen, mit der Hellheit in sich.
    Die Glocke schrillte Anfang der großen Pause. Man drängte hinaus, er verblieb im Zimmer, und, trotzig, trieb er sich hoch, bis es ihm zuschrie: »Goedeschal! In die Retirade! Zu

Weitere Kostenlose Bücher