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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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schwellenden Wärme erfüllten. Sie stürzten um, ihre rotfleischigen Münder seiner Haut angeheftet, saugten sie atmend Blutwärme aus ihr.
    In der Tasche wühlte die Hand.
    Und da, aufgesprungen, sah er’s noch einmal: Hoffnung, du wehende Birkenallee, süßes, beseeltes Schwanken in Sonne, Feste, von Lachen überschwirrt, weites Gewoge aus Willen.
    Aber drüben dehnte sich’s dunkel, Verknotetes führte, ein Mundwinkel blößte, den mit dem Finger auseinanderzutun Lockung war, rot ging lippiger Riss einem Leibe auf, dumpfe Seligkeit, Verrat, Weinen nun und Weinen, Weinen in eine Nacht hinaus …
    Es schwirrt. Viele Flügel regen sich. Durch einen Park geht Wind. Über Kais Bein weht der Rand eines Kleides.
    »Allein! Allein! Ungeteilt!«
    Und er stößt den Zettel zu Klotzsch: »Lies!«
    Schwarzsamtiger Mantel überwirft die bunten Erschautheiten. Im Dunkeln entwächst unsehbar Gestaltlosem ein Gestaltetes. Weit von jenem laufen die in Sonne plätschernden Lebenswellen auf den Strand.
    Klotzsch steht. Nach hinten den Griff der Hand, der torkelnden, fragt er: »Und?«
    »Allein! Allein! Ungeteilt!«
    An der Tür wendet sich jener: »Ich verzichte. Mit Dank.«
    Und nun ist das Traben draußen, das Traben fliehender Flucht, auf den sandgestreuten Platten; er trabt fort.
    Traben. Traben. Traben.
    Und Kai hört’s, in das Löffelgeklirr des Essens, im Klappern der Schachfiguren trabt’s, und das Einschlafen ist gewiegtvom Traben Werners in die Nacht, vom Traben, Traben, Traben.
    Aber am Rande des Traums steht Ilse, ihr Haar weht und sie winkt – winkt Kai allein.

43
    Schleier Schlaf vor den Augen ward dünner und dünn. Über den Saum des entstreichenden letzten hob Kai die Lider. »Ich bin wach.«
    An die Fenster stieß Hartes, rufgleich schrie es, ein bekannter Pfiff tönte melodisch.
    Kai lehnte ins Kalte: im Sträucherschatten schlich es verkrümmt, trieb sich murrend empor, klotzte querüber den Fahrdamm und streute nun segnend die Arme über den Schnee.
    Kies umprasselte Kai.
    »Bist du blödsinnig, Arne!«
    »Aufmachen! Colloquium nötig!«
    »Leise! Der alte Herr …«
    Arne schrie dröhnend: »Mach auf!«
    Fenster klirrten im Öffnen, schon sprenkelte Lichtschein die Scheiben am Platz.
    Da: der Leuchter, die Treppe hinab, im gewohnten Versteck des Vaters fand er den Schlüssel zum Haus, öffnete.
    An der Laterne im Schnee ruhte sich Arne, das Gesicht überklebt von Verachtung. Stählern stieß er ein Murren: »Schweine! Unwissende Schweine!«
    Kais weißärmliges Winken lockte, zog ihn zum Halse des Freundes. »Auch du Schwein. Unwissendes Schwein. Gutes Schwein.«
    Sie tasteten stolpernd die Treppe aufwärts. Alkohol dampfte.
    In den Langstuhl hockte sich Schütt, das Auge vermiest durch Umkreisung von körnigem Grün, Gelb und Blau, die Finger den Hosen wulstige Falten entrollend.
    Kai stieß ihn. »Was willst du? Gleich schlägt’s drei.«
    »Was ich will? Skriptum! Griechisches Skriptum. Gib’s her.«
    Arnes Tasche enthob sich Blaues, Zerknülltes. »Hast du’s richtig?«
    »Von Korn. Mach zwei Fehler rein. Dann wird’s die Drei.«
    »Los! – Was heißt das? Kein Schwein kann das lesen! – Und du?«
    »Bekomme Zwei bis. Korn kriegt die Eins. Du hast dann also fünf Fehler.«
    »Bockmist! Das hier ist nie im Leben richtig.«
    »Mach’s besser. Drei Fehler sind drin. Mehr nicht.«
    Schütt stampfte das Heft in die Brust. »Anton sollte das wissen. So ein fleißiger Schüler, nachts noch um drei über dem Skriptum.«
    »Leise! Ich bitte dich! Arne!«
    »Natürlich. Versteht sich. Dein alter Herr. Denkst, ich bin knille? Gar nicht!«
    Rücklings in ein Kissen gebettet, entzog er würdig der Zunge lächerlich aufgeplusterte Worte, formverlorene, im Umriss verzerrte: »Schriebst du schon Margot? – Recht so! Leg los. – Was! Keine Abschrift?«
    »Lass sehen, vielleicht kann ich’s so.«
    Blasengleich trieb’s Sätze empor ins Bewusstsein, der gleitende Blick rann zusammen. Aber noch klemmte es drinnen. »Ich bringe es nicht.«
    »Los, Kind Gottes, stell dich nicht an.«
    »Liebe kleine Margot …«
    Beinahe sang er’s. Süß schmeckte der Gaumen, birkrutig  wehten die Nerven. Im Schoß tanzte Gezier seiner Hände.
    Er warf einen Satz. Zögerte. Aber dann ließ er sich gleiten, der Mund sang den Leib ihm zur Ruh. Über Arnes torkelnden Haarbusch schlug er das Ballspiel der Sätze, der Wortstrom strömte. Bitten warf er ins Weite und die Beschwörung des Flieders; über Ilses Gesicht goss er den

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