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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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getrieben, das unförmige Sorgengematsch; da nichts besser war und ruhiger als das Wachsenlassen aus Geschehen, quoll zwischen seinen Fingern Tat, quoll auf, beschattete ruhenden Genuss.
    »Penne mit Thème und Geschichte, Klotzsch, Lehmann,Ilse« – dehne die Pause, atme wieder und wieder; Ilse ist kein Ende, Atemholen vielleicht, und was kommt, heißt doch: »Margot!«
    Vom weißen Nachttischmarmor der Zettel. Eine dünne Neugierde, süß ein bisschen auf dem Gaumen. Und nun, hie und da nachdenksam – ein Schaukeln im Leibe, ungelenken Rhythmus, schulterentsprungen, auf den Hüften wellenhaft strandlaufend –, sah er im Aufbrand des Erstaunens beide: Zettel und Brief; fragte: »Aber Ilse? Süßestes Erleben, da ihr Wort mich fischte. Doch – kaum im Netz ihrer Liebe geborgen, atme ich einer neuen Göttin zu? Margot?«
    Er lauschte. Irgendwo weit fort rief ’s Antwort, wie die Speisemädchen der Wirtschaften Gerichte zur Küche rufen, ins Gebrodel der Töpfe und Tellergeklirr, zu weit fort für Verständnis.
    Stärker schwangen die Schultern. »Aber ich liebe sie doch! Nicht wahr? Ilse?«
    Dem Schweigen enthob sich Gewissheit. Sie war bei ihm, immer war ihr weißes Gesicht da und dort und hier, über seiner Schulter, im Ofendunkel, beim Bettpfosten, hier und dort und da.
    Wartend hob er die Hände zum Dach seines Scheitels, fühlte das Rieseln kommender Antwort mit spitzem Gekitzel zur Haut, hob die Ferse: »Es!!!«
    In den Langstuhl geworfen, übereinander die mageren Beine gelehnt – vergeblich suchte die Wade den blauen Knöchel zu wärmen –, spähte er weiter, prüfte, fand Bestätigung. »Von neuem überrascht. Da Es Ruhe in Ilse erkannte, bekämpft Es nun sie. Sie allein meine Rettung.«
    Er tanzte. Geckenhaft und verludert schwangen die Beine. Triumph enttriefte dem Hirn über Brust zu den Weichen, die prickelnd erwärmten.
    Sieg sang er: »Ich habe dich! Ertappt, gegriffen, entblößt.Sieghafter Kai! Zerschmettertes Es. Wolltest Ilse rauben? Armes!«
    Die Kleider haschend, das Gesicht mit Wasser benässt, sprang er geziert in Hemd und Hose. »Er wird nicht abgeschickt, der Brief. Frei bin ich.«
    Und er stopfte ihn in die Tasche.

38
    Leicht ist ihm. Zweistufig verspringt er die Treppe, zielt dem Esszimmer zu, da streift – der Vorplatz ist dunkel – eine Hand die seine, umschlingt den Arm, es flüstert: »Ich muss Sie sprechen, Herr Kai, privatim.«
    »Müssen Sie? Bitte! Bitte!«
    »Nicht hier. Wenn jemand käme …«
    »Wo dann?«
    »Im Herrenzimmer?«
    »So.«
    »Kommen Sie, Herr Kai!«
    Er tritt zurück, leise: »Nun kenne ich den Feind. Kaum entronnen, seh ich neue Schlingen, mir von ihm geknüpft. Durch den Ärmel schlug Hitze.«
    »Kommen Sie!«
    Sie greift nach ihm. Er entzieht sich ins Dunkle. ›Wie ihr entgegnen?‹
    Ihr Atem bläst Glut. Durch das Dämmer torkeln die plumpen Hände ihm zu.
    ›Mut! Mut!‹
    Sie flüstert von neuem: »Wir werden allein sein, hier unten.«
    Sie bedrängt ihn. Ihr Arm, blind zu ihm ausgeschickt,streift sein Gesicht, Hüfte drängt Hüfte zu; plötzlich saugt es an seinen Wangen, wirft ihm die Lippen auseinander, beißt: ihr Atem schmeckt.
    Schon schwingt er ihr zu, seine Lippen blühen auf, da sieht er ihn im Winkel, blitzende Helle zeigt sein Gesicht, krötig bewarzt. Er reißt, wird frei. Bebend: »Nicht hier. Gleich. Nur noch ein eiliger Brief.«
    »Sie wollen nicht.«
    »Aber ja!«
    »Der Brief ist nicht wahr.«
    »Schweigen Sie, Erna!«
    »Ich stecke ihn ein. Geben Sie her, Kai!«
    Er zögert. Dann: »Hier.«
    »Und Sie warten auf mich?«
    »Ich warte auf Sie.«
    Die Tür klappt. Er flieht, das Zimmer des Bruders umfängt ihn, in den Sessel am Schreibtisch geworfen, hat er über dünnen mit Kurt gewechselten Sätzen Zeit zu bedenken, was geschah.
    Doch wer erkennte nun den Sieger?
    ›Wohl entrann ich ihr. Kurt an meiner Seite, beim Frühstückstisch, auf dem Schulweg werde ich sicher vor ihr sein. Aber Preis dieser Freiheit ist jener Brief. Ihn unterwegs, ihren Händen gesellt, seine Sätze vor ihr aufgeblättert zu wissen, ist Verrat an Ilse genug.‹
    »Ja, es wird Zeit zum Frühstücken.«
    ›Aber ich nicht, ich wollte ihn nicht senden. Nur ein Preis ist er, einer Summe Geldes gleich, von mir für mich bezahlt. Ich weiß nichts von ihm, vergessen, geleugnet schwebt er wie ein Blatt in der Luft, ein Ding, das jedem und keinem gehört: Ich liebe nur Ilse.‹
    »Ja, gehen wir.«

39
    In der Vorhalle – Schnee rann kotig am Boden – hielten sie.

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