Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
nicht? Papa spielt wohl besser.‹
    Noch einmal knarrt das Pedal. Gerötet, gesenkten Blicks erreicht Lotte den Rohrstuhl.
    »Herrlich, Fräulein Lotte.«
    »Sehr melodiös«, bemerkt Kai und wird gemissbilligt.
    »Dies Letzte wohl nicht so sehr.«
    »Ich meinte das Vorge.«
    Wollig wickelt das Gespräch weiter. Jörg hat eine Fünf in Latein, der Gatte wird unzufrieden sein. »So unzufrieden!« Lotte bekam Frost in die Hand. Schaffner empfiehlt Mandelkleie.
    Kai neigt zu Ilse: »Ilse, du liebe Ilse.«
    »Wie, Herr Goedeschal?« Frau Lorenz streckt das Gesicht. »Nichts? So. Ich dachte. Und die Herren Eltern? Das Befinden?«
    »Vorzüglich. Völlig vorzüglich.«
    Dies scheint Belohnens wert. »Lotte, biete Herrn Kai die Zigaretten …«
    Er greift spitzfingrig zu.
    »… obwohl man nicht weiß, ob der Herr Papa …?«
    Rauchen sei ihm bewilligt.
    (›Zwar nicht wahr. Aber nun was denn?‹)
    »Nehmen Sie immer.«
    Geklärt scheint’s der Dame im Sofa noch nicht.
    Wieder versinkt Kai, während nun das Gespräch ins Theater schaukelt. Er stemmt seine Schulter. »Was ist dies? Erlösung? Hinsturz? Dankgebet? Gelöbnis?«
    Fern sieht er sich, den Hoffnungserregten. »Geschwafel! Geschwafel!«
    Er muss sich versichern, zur Fenstergardine gewendet. »Das Leben bleibt. Draußen. Nun denn! Hier auch heute geleugnet, kann es ein andermal in Ilse gezwängt sein.«
    Greisenhaft brabbelt das Gas. Wieder versinkt er. Noch schultergedreht den Kopf, kneift er das Auge, bemerkt: »Entschieden zu gelb! Zu gelb!«
    »Wie denn, Herr Goedeschal? Man versteht kaum bei abgewendetem Sprechen …«
    »Verzeihung! Wie – ach nein, nichts, gar nichts.« Der Kopf dreht zurück, errötend. Gallig gefärbte Gardinen versinken. Hinten.
    Die Hände gerungen, gerundet flötet Kastor Schaffner: »Verzeihung! Zu lang schon …«
    »Aber gar nicht.«
    »Das Kirchenrecht wartet. Ohne dies wird mein Schlaf mir nicht leicht.«
    Neckisch erhebt sich der frauliche Finger. »Sieh da! Ertappt! Trocken, das Jus?«
    »O nein, nur dieses …«
    Hoch schiebt es Kai. Er verneigt sich, Empfehlung den Eltern empfangend. Vor Ilse, plötzlich belebt: »Und wie bekam dir der Ausflug?«
    Endlich klingt ihre Stimme: »Vorzüglich. Bin’s ja gewöhnt.«
    Leiser: »Komm morgen. Besser ist’s dann.«
    »Ilse! Wo sind Herrn Schaffners Galoschen?«
    »Hier, Mutti!«
    Von Schneeschmutz genässt ist die Treppe.
    »Genussvoller Abend. Nicht wahr, Herr Goedeschal? Rechts oder links? So? Rechts? Dann auf bald.«
    Schnee stäubte. Der unleidliche Rücken verging. Ein Hund bellte. Kai wandte sich heimwärts.

42
    Aufgekraust von der Winterluft überliefen flache Wellen den Teich seiner Langweile. Schon war es, als müsse er, schlank emporlohend, über die erleuchteten Fenster oben den Schein einer so innig gewollten Reinheit werfen, leugnen das lässige Zurücklehnen in Schweigen, da er für die neue Güte zeugte, die nun sein Blut sang. Die kleinen albernen Gebärden des Nachmittags wehten nur, kindische Flatterfahnen, um die Peripherie seines Seins, in dessen Zentrum geballt, unangreifbar und tatsüchtig, ein sehnender Wille hockte.
    »Ich kehre um. Wieder die Treppe. Der Vorplatz. Auf dem alten Stuhl. Die Gardinen zurückwerfend, werde ich die von Leben angeglosten Scheiben weisen, meine Tatscheu zu tilgen.«
    Er zauderte. Schon umfing Kälte ihn. Der Lichtschein der Laternen übertanzte einen Schatten, näher kommend, winterlich verhüllt.
    »Ah!«
    Im Schnee knirschten beider Absätze.
    Aber sie wandten sich nicht. Ihre Augen tranken sich ein. So verharrten sie, gegenüber, wenige Schritte getrennt, reglos, bis der aufglühende Blick verfiel.
    Kai drehte die Achsel, sein Fuß setzte an, schon wandte er sich, und gleich würden sie, zwei Rücken, augenlos, voneinandergehen, die Straße hinab, hierhin, dorthin, getrennte Wege, geschiedene Willen, gespaltene Freundschaft – (»Bäume«, dachte Kai, »unter Bäumen ruhen«) –, da verhielt er.
    Den Blick über die polstrige Schneekruste horchte er der Stimme, die nun, leise, ihm kam: »Du, Kai …«
    »Ja, Werner …?«
    Still blieb’s. Ein Windzug schüttelte Schilder, irgendwo schrie es: Kinder oder derart.
    Nebeneinander … sein Arm tastete, schlang sich in Werners. Sie gingen. Schweigend.
    Kein Mensch. Der beruhigte Schein jener Fenster überstand mondgleich das Bleiche aus Fleisch ihres Gesichts; er ging unter. Einer tieferen Dunkelheit zu, prägten sie dem verlöschenden Schnee ihre Spuren, Schuh um Schuh.
    Gingen

Weitere Kostenlose Bücher