Der junge Goedeschal - Roman
Schütt!«
»Ich werde reden!«
Zwei Mann, Posten, wiesen den Andrang Bedürftiger ab, zur Ecke am Turnsaal. Es schimpfte, brummte und lachte, trieb fort. Drinnen im Dämmer vier, gar fünf mit Oberprimaner Bischoff. Es stank. Klotzsch, seitlich, zog am Verband.
»Mache«, dachte Kai.
Bischoff läutete urtiefen Bass: »Ihr seid Schweine. Prügelnd, erweckt ihr Gelächter den Kleinen, Gespötte den Knoten. – Ihr erkennt das Schiedsgericht an? Beugt euch dem Urteil, wie es auch heißt?«
Klotzsch stieß eilend ein Ja, länger verzog Goedeschal, dann: »Das Schiedsgericht wohl. Aber nicht die Sache …«
»Dies wird sich finden. – Beginne, Klotzsch.«
Der stieß es aus sich, verwildert, zerknüllt, warf die Hände, wies die Brücke auf, das Messer, berichtete Schlag und Verweigerung von Hilfe. Hielt, griff zurück. Sein Gesicht zuckte, das Auge glänzend, warf er eine Klage zu Kai, beugte sich, tiefer greifend schien er etwas zu heben, deckte es auf und …
»Genug, wir wissen Bescheid. Nun du, Goedeschal.«
Er zögerte. Sein Herz blühte auf. Nah und leiser: »Wie ich schon sagte: das Tatsächliche stimmt. Aber die Tat erkenne ich nicht an als mein. Ich war es nicht.«
Lustig, wie ihre Gesichter rauchten! Flackerfeuer glomm auf, ihre Hände flogen ihm zu, griffen nach seiner verstoßenen Tat, für ihn zu verwahren.
Ärgerlich tönte Bischoff: »Red keinen Unsinn.«
»Gar nicht! Es ist so. Er barrierte den Weg. Ich wollte zu Ilse. Nicht mehr als Freiheit des Wegs war, was mir anlag. Alles darüber wollte ich nicht: diesen Schnitt, dies Gericht; tat’s also auch nicht.«
Protest knatterte los. Zurückschauend sah Kai alles unklar gesagt, begann: »Anders: ihr wollt Verantwortung. Verantwortung setzt Tat voraus. Tat setzt Wille voraus. Hier Wille zur geschnittenen Hand. Also?«
Er lächelte. »Wie ein Exempel.«
Bischoff hob in den Lärm die Hand. »Silentium!«
Sich drehend: »Habt ihr so was gehört?«
Ungeduld trieb Kai. »Noch nicht klar! – Also: schlecht ist nur das, was ich fühle als schlecht. Sünde nur meine Sünde. Ein Ochs das Kind spießend, sündigt er …?«
Er schwieg. Eine Lücke tat sich auf. Irgendetwas war nicht so klar, wie es gesollt, stimmte nicht. Er setzte an: »Meine Sünde, mein Gewissen …«
Sein Blick suchte. »Hier! Mein Wille! Ich hab es nicht gewollt, da ist es!«
»Und hast es getan!«, schrie Bischoff. »Hör auf mit diesen Narreteiereien! Red vernünftig!«
›Wieder stimmt es nicht.‹
Er stand versonnen. Seine Laune fiel von ihm ab. ›So dunkel. Es quillt unten. Ich fühle es. Könnt ich’s erheben, aufweisen, mir selbst, den andern. So nur fühl ich, ich hab Recht.‹
»Hör zu, Goedeschal.« Arne zwang seine Schulter. »Wenn du jetzt nicht sofort den Blödsinn aufsteckst, vernünftig antwortest, ganz sauber aus der Sache trittst, sind wir geschiedene Leut.«
»Arne! Verstehe mich doch. Das hieße Verantwortungtragen, mein Recht beschmutzen. Ich bitte dich, versuch doch …«
»Du weißt Bescheid.«
Kai sank in sich. Nun baute sich’s auf: Hass der Klasse, Schweigen, und, an den Wänden schwänzelnd, den Kopf lieblich zur Luft gestoßen: Klotzschus triumphans: Nein!
»Wenn ihr’s anders nicht kapiert … Er hatte kein Recht, mir den Weg zu versetzen.«
»Hatte ich! Er wollte nichts als poussieren!«
»Und du, Klotzsch? Bei Ilse abgefallen! Daher deine Wut, nicht?«
»Silentium, Goedeschal! – Halt’s Maul, Klotzsch! Ihr habt zu warten … Bist du ruhig, Goedeschal!« Die Welle ebbte. Natürlich, nun noch das Ehrenwort, nicht zu vergessen.
»Das war Sonnabend Mittag, dass ich nichts gehabt hätt. Dass ich nichts haben würd, hab ich nie gesagt.«
»Achtung! Pauker!!!«
An der geteerten Wand, Hosen knöpfend, standen sie: Krebs, platzlos, durchzackte den Raum, die Klosetttür klappte.
»Nu, heern Se mal, das scheint mir cha hier eine richtche Versammlung! Der Esenwein aus der Sexta hat mir geklagt, Sie ließen ’n nich rein. – Gommen Se mal her, Schütt.«
»Einen Moment, Herr Professor.«
»Nu sachen Se mal …«
»Aber ich versichere Sie, Herr Professor …«
»Das derften Se wohl nur sachen als Achente …« Sie entschwanden, in Grammatisches vertieft.
Auf dem Gang verklapperte der Absatz des Lehrers. Zwischen das Lange der Hände ruhte Kai seinen Kopf. Klotzsch schien zu beten, süßlich die Lippen geregt.
Arne hob seinen Arm. »Das Schiedsgericht hat erkannt:das Vorgehen Goedeschals war korrekt, wenn auch hitzig. Der Umstand,
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