Der junge Goedeschal - Roman
fort!«
Dringlicher, heißer, näher: »Sag: fort!«
Sie sachlich: »Wozu?«
Und er, indes seine Hände fortfielen: »Freilich ist es wertlos.«
Kai suchte sich: halblaut redend, kaum für sie, doch für sie, ging er sich nach. »Auch Kleineres nähme mich fort aus diesem Leben. Eine schlechte Note, Demütigung, Angst vor Strafe oder so. Warum nicht? Darum, weil ich Befehl anderen Willens brauche.«
Aber nun stärker erglühend: »Doch, wäre das nicht schön. Schön, für dich, für fremden Zweck, nicht um meiner Not willen zu sterben.«
Sie stickte. Irgendwo schlug eine Uhr.
Kai drehte Hand um Hand. »Du bist fort. Du willst mich nicht. Was ist?«
Näher zu ihr, die Luft saugend, atmete er neu Not. »Du! Musst da sein. Bei mir. Letzte Insel. Verliere ich dich, so …«
Er griff ihre Hände, sie sah auf. »Verlieren …?«
»Ja. Wo bist du? Wo ist deine Nähe? Spüre ich dich? Schmecke ich dich? Treibst du im Blut? Was ziehst du geduldige Fäden?«
Er umgriff die Gelenke. »Du! Nah her! Wärme mich! Sei da! Wachsein! Nicht schlafen! Der Tag kommt!«
Ihr Auge feuchtete sich, ins Weiße verschwimmend entglitt näherer Blickstrom der Pupille. »Du. Du.«
Er trat fort. »Weg! Du weg!«
Wies in die Ecke, ihrer Schulter überwärts; jagte denSchatten mit Worten: »Komm nicht! Beflecke mich nicht hier! Bleib bei Arne, der bei dir war?«
Und leiser: »Küssen? Sie küssen?«
Aber dann, wieder ihr nah: »Nein. Das Ungemeine. Das, was aufwächst, von selbst. Was dem Boden entquillt. Nicht gesehenen Gebärden. Nicht das Erlesene, Erzählte, Geschenkte. Nur das Selbstgewachsene.«
Und von unten ihre Züge durchsuchend: »Nicht du? Auch das wird kommen? Noch bin ich nicht reif dafür. Nicht stark genug. In das Zurücklehnen, das Ineinandergleiten von Weichem würden sich Schatten neigen der Büchergestalten, und was wir täten, wäre nicht unser, sondern Jettchens oder irgendeines von jenen.«
Sie murmelte: »Verstehe ich dich? Nein.«
Aber er: »Erst verstehen. Alles andre später.«
Doch schien noch immer beißender Qualm im Innern zu treiben. Aber seine Schwäche fühlend, widerstand er hitzender Verlockung. »Unmöglich, dies zu tun. Warten. Vielleicht kommt es.«
Und er lächelte selig.
Da schien Wärme auch sie zu fangen. »Liebe ich dich nicht?«
Aber der: »Das ist wenig.«
»Wie? Mehr?«
»Wachsein! Dasein! Leben! Wirf die Saugwurzeln in mich, trinke mich aus, in dein Blut hinein, wie du völlig in mich fällst, bis zum Zucken der Brauen.«
Und er fühlte entkräftet, dass er rede.
Sie sann. »Du hattest Unrecht. Du schlugst ihn, belogst ihn. Doch liebte ich dich, schrieb ich die Zeilen. Weil du littest? Tiefer? – Littest du?«
Er zweifelte. »Weiß ich es?«
Schneller dann: »Heute? Noch heute? Weiß ich von mir?Ob ich litt? Andere kenn ich vielleicht, in diesem und dem, mich – nie. In nichts.«
Müde: »Ich weiß nicht, ob ich je litt.«
Doch sie blieb dabei: »Deine Augen …«
Und er: »Meine Augen? Fremde Augen! Wo bin ich?«
Und näher, lauernd: »In dir? Etwa?«
»Geh«, murmelte sie, »geh.«
Aber er warf die Worte rascher, übertönte sich selbst: »Was liebst du? Hier die Hand? Den Kopf? Kai, der log? Kai, der schnitt?«
Drängend: »Sag!«
Sie flehte: »Geh doch. Du zerstörst?«
Aber er, lachend: »Sie sind fort, alle, alle Kais, die du kennst. Liebe den, hier!«
Er verzerrte das Gesicht, das sich ihr bot.
Und zweifelnd, indem er die Fläche der Hand mit dem Blick überprüfte: »Welchen? Den: hier?«
Sie sah auf, beinahe war es Trotz. »Doch liebe ich dich!«
Aber er, nun gänzlich gefallen: »Liebe? Was ist das? Warum sitze ich hier? Ich könnte sitzen … etwa da oder dort, überall ebenso gut.«
Und ergänzte leise: »Besser: bei Margot.«
Aber dann erschrak er: dies schien Verrat. Und er bekannte: »Nein! Nein! Nur hier!«
Und, da er zierlich zu sein wünschte: »Nur hier bei dir.«
Sie schwieg, und indem sie das Gesprochene forttreiben ließ, in den kleinen, heißen Luftwirbel etwa der Gaslampe oder in den eben bedrohten Schattenwinkel am Schrank, griff sie zum Kissenbezug und erreichte im Sticken stilleres Beruhigtsein.
Kai überschaute sie. »Sie ist nah gewesen, als ich fern war, und fern, als ich nah. Wir wissen nichts.«
Schon leugnete sie das Besprochene. »Wo Klotzsch bleibt.«
Als er schwieg, sachlich erläuternd: »Es ist sein Tag.«
»Du wartest umsonst, spare die Sehnsucht.«
Gekränkt fragte ihr Blick.
»Ich wies ihm, dass mit mir
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