Der junge Goedeschal - Roman
Glanz weißseliger Wolken; ferner stand Margot; aber jenen dort, jenseit, schmeichelte er stiller nun Klang und Gelöbnis zur Seele, den namenlosen Begehrten, allen, die flaumig im Fleisch sich erwärmten. Spülte sich fort und hielt wie den Mond ein Lächeln des Trostes in Händen, eine Gewissheit von Glück allen, die dies Sein verwarfen. Glaubte sich selbst seine Liebe, Güte begehrend und wirkend, nickte, hob sich zum Ufer, lachte der Zukunft entgegen.
Arne, schiefwinklig den Kopf, sah dem Verströmenden nach, hob griffig die Hände. »Nanu! Du bist gut!«
Die Süße verschwemmt, schon sägte knarrend Protest. »Liga gefallener Mädchen! Rückkehr zur Unschuld! Luther! Christus! Statt dessen Liebeserklärung! Jeder Vereinbarung zum Trotz suchst du nur Sicherung deiner Lust.«
Kai hob sich. Indem er die Hände vor sich warf, konnte er’s doch nicht hindern, das Fallen und Stürzen, nun entblößten sich Winkel, geheimer Sinn spann sich aus Sinnlosem, und weithin schien nichts zu bleiben als List, Verrat und am Ende: schmerzliche Niederlage.
Aber er drehte sich fort. Er wollte nicht sehen. Nicht dies. Noch nicht dies. Auch hier war noch manches mit kleinen Gebärden zu schmücken. Die Augen geschlossen fand man vielleicht einen Weg am Absturz vorüber.
»Du siehst nicht Gomorrha, Salzsäule. – Also dein Ehrenwort,dass du noch einmal schreibst. Heilsarmee mehr als Entblößung von Lüsten.«
Kai fuhr herum, seine Hand griff zu Arne. »Nie! Nie! Nie!«
»Aber keine Angst! Was soll das! Schreibst du?« Und Arne stieß auf den Boden. »Du schreibst, Kai? Noch einen Brief?«
»Ich bitte dich, Arne, sei still.«
»Bin’s schon. Aber du schreibst?«
»Ich kann nicht.«
»Ich brülle das Haus zusammen. Ganz egal.« Ruhiger: »Das wär nicht amön? Du schreibst?«
Kai fasste ihn. »Arne, du verstehst es nicht. Aber glaube mir, es ist ein Komplott. Man will mich verraten. Schreibe ich den Brief, es hieße den Feind bestätigen. Glaube mir doch!«
»Red keinen Unsinn! Komplott! Du spinnst ja, Verehrter. Ich erzähl dir was Gutes … von Margot …? Aber du schreibst?«
Kai verneinte.
Arne stand. Der Stuhl fiel krachend. »Du schreibst … Oder?« Er hob den Waschkrug.
»Um Gottes willen! Ich schreibe.«
»Ehrenwort?«
»Ja.«
»Ehrenwort?«
»Ehrenwort.«
Arne tastete um sich, griff Mantel und Mütze. »Servus, Kindchen.«
An der Haustür verhielt er, neigte sich langsam zu Kai, flüsterte: »Nun kommt’s: … ich war heute bei Margot … Servus, unwissendes Schweinchen.« Und er ließ Kai dem Schlaflosen.
44
Das Schlaflose lag graulich wie Meer. Unendlich sich dehnend, bespülte es allseit Kai, lautfremd, und schon im Ertrinken, sah er über sich aufblitzen: weiße Hände, im Beten gebärdet, möwenflügelgleich. Sie flatterten auf über das Graue, und Angst war es, die Emporwurf befahl über Drohendes fort in Weitheit einer Wölbung, doch ohne Rettung.
Frühnebel bespülten die Wiesen. Ihre flockigen Schleier umzogen, wie betautes Gespinst von Spinnen, nässend die Stämme der Bäume, sie nisteten sich ein in den Ästen, und ihr taubes Silber entfärbte den Boden, bis er drohte.
Man versank darin. Keine Rettung kam, und wusste man schon oben drüber Blau, Sonne und gar Lerchengetön – hier unten lag man, und das Wissen half nichts in der Angst, im Grauen zu sein, einer lautfernen Welt geliefert, die gebärdenlos bedrängte, umspann, probend die Haut besog.
Und, wenn Kai den Blick auftat, – nun blähte das andre: einst sein Zimmer; unförmige Holzkloben entdrohten schwärzer dem Schwarz; ihre Konturen lösten sich, und mit einem Zucken, das ihre zu Schubladen geschweiften Bäuche überlief, waren sie näher, sie umdrängten die dämmrige Verfärbtheit der Laken, sie überhängten sein Haupt, und indem sie nur geahnte Lider klappten, schien ein Grinsen ihre Zerformung zu entblößen; ihren Atem, einen getrockneten Kiefernatem, ließen sie raspelnd über die erschauernde Weiche seines Gesichtes streichen, und ihre Hände, ihre noch verborgenen, aber schon gewussten Hände, deren Knöchel aus Astholz gedrechselt, stritten nur noch darum, welche zuerst die Sehnenbebung seines Halses umwerfen dürfte.
Kai schrie. Er wusste: er schrie.
In ihm sog es an, aus dem Bauch quoll es auf zur Lunge, überdehnte das Gefüge der Brust, durchpfiff stürmend die Tunnel des Halses und entbrach trompetig lippenblähend dem Munde – aber die Schränke, die Stühle, die Tische, der Sekretär zogen ihn ein,
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