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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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im Spiegel traf er seinen Blick, den er nicht achtete. »Nein, aber da dies nie war, nie ist, nie sein wird, sehe ich mich – ist Erniedrigung hier nicht wie Erhöhung? – fern von den andern, einem ausnahmsweisen Geschick geliefert, zu einer Last verurteilt, die meinen Schultern beinahe zu schwer scheint. Beinahe, denn ich will sie tragen, die türmende, und am Ende angelangt, werde ich den Toten mein Brandmal weisen und ihnen doch Bruder gewesen sein.«
    Sein Blick durchflammte das Glas. »Oh, ich kenne dich wohl, kleines Prickeln, das du mich locken möchtest zum: wieder einmal. Nein, du! Aus der Gewöhnung erwächst Schmach des Altwerdens in Schande, die ich nun, neu und neu, als ein Klopfendes herzinnen trage.«
    Er hob die Arme. Weit unter sich sah er die andern, ein gedrängtes Heer haariger Köpfe, ihrer Wege schleichend und die kleinen Ziele schielenden Blickes belauernd. Aber er schaute schon hinter sich die schwefelgelbe Flagge seiner Tat, in den Acker gerammt und in jedem Gedankenzug wehend;da er fortschritt und die Aufgaben fügte zur Entsühnung, konnte nur Froheres seinen Weg geleiten, und Versuchung hieß nichts, da dieser schwersten erlegen zu sein Anfang war.
    »Ja, du …«, flüsterte er, und ferne schwangen die Mädchengestalten durch rein gewehter Frühjahrsluft Reinheit, birkenrutig begrünt.
    Der Spiegel flüsterte »du«, wölbte den Mund und nach der Glättung meinte das Gesicht nichts von alldem. Da zwang er sich auf, tastend durchfuhr er die Lade, die kleine Schachtel wog fettig in seiner Hand, und nun malte er, gegen den Spiegel gebeugt, mit den Schminkstiften der letzten Aufführung sein Gesicht, jenes Gesicht der Schmach, sichtbar aufgebreitet in zerkörntem, dunkelndem Beutel unterm Auge, fleckig vergilbter Stirn, messrig gehackten Falten und ein wenig Grün auf den Backenknochen als letzten, fahlen Schein der durchwanderten Höllennacht: jenes Gesicht, das sein war, sein, sein wahres, das er getragen hatte, unsichtbar, durchs Schwarze im Paradies der Schmach.

53
    Kai hob den Kopf: eine Klingel schrillte. Türgeschramm, wispriger Stimmlaut stach spitz herauf.
    »Das für mich …?« Und überfuhr mit dem Tuch jagender Hand das Gesicht, während die Schminkstifte zur Lade rollten; – nicht schnell genug, denn schon schob Klotzschens gekräuseltes Haupt süßlächelnd durch die Tür, da noch Blaubraun Kais Auge umzirkte.
    »Lieber Kai …, aber nein! Wie siehst du aus! Krank? Sehr krank?«
    Kai sprang zum Schatten, doch Klotzschens Augen prüften … Fältelte schon Erkenntnislächeln seinen Mund?
    »Wie? Krank …? Ja, nun … wirklich … Ich will dir … Komm her, ich zeige dir«, und Kai riss den Griff der Lade.
    »Nein, jetzt nicht das. Nachher, später … Also wirklich krank, man sieht schon. Dass ich nichts merkte, schon früher! Also war Ilse im Recht, sehr! Ich verneinte.«
    »– – – Ilse?«
    »Nun ja. Da du nicht kamst. Gar nicht mehr. Sie fragte. ›Sehr gut‹, drauf ich, ›der Kai. Wie stets im Pennal.‹ – ›Nein, er ist krank‹, hielt sie fest, ›sonst …‹ Dann schrieb sie, ein-, zweimal. Keine Antwort. Du erhieltst die Briefe?«
    »Natürlich … nicht. Sonst hätte ich hören lassen.«
    »Und krank? Darum nicht bei ihr?«
    »Ja. Ja.«
    »Ich werde berichten. Es wird sie freuen. – Du verstehst schon! Sie grübelte. Etwas schien geschehen, mir nicht bekannt. Du weißt?«
    »Nichts. Nein.«
    »Auch die Mutter fragte … Nichts? Auch gut.«
    Klotzsch bewegte die Achsel, Geheimnis schonend. »Aber wahrhaft schlecht siehst du aus.« Schwieg wieder. Endlich: »Du kommst mit, nicht?«
    »Wohin?«
    »Nun, Ilse!«
    »Aber nein!!!«
    Klotzsch, näher tretend, schob den Blick von unten. »Was ist dir? Warum schreist du? Was ist denn? Sag! Gezankt? Krach? Mir kannst du’s sagen. Außer Konkurrenz.«
    »Nichts …«
    »Doch gehst du zur Penne. Also komm schon. Sonst …«
    »Geh vorauf. Ich komm dann.«
    »Nein, ich warte. Sie sagte ausdrücklich …«
    »Wie?!«
    »Nun … also komm.«
    »Schön.«
    Die Kälte strich ihr Gesicht. Schnee knirschte. Hier und da brannten hinter gelbverhängten Fenstern erste Lampen. An einem kaum kenntlichen Himmel ahnten sie Wolkenwandern; Schilder klappten, ein Kind schrie, und über den letzten Bahnhofsdächern stand eine falbe Röte gleich eines Sommerabends Abglanz.
    »Wohin gehst du?«
    »Hier entlang. Wir kommen immer noch früh. Luft! Mir ist der Kopf dumm«, und Kai drängte zur Straße, die an den Brandmauern spärlicher

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