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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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flutgleich. Nichts. Aber noch wehte es, stärker nun, dort drüben.
    »Mama … bist du es …?«
    Ein kleiner Klicklaut fiel an der Tür.
    Stille. – Plötzlich bestürzte die Schwärze als Stahlblock seine Brust. Ein bewegliches Zittern riss im Kehlkopf, seine Hände feuchteten sich …
    »Wer kann es sein …?«
    »O, bitte, bitte!«
    »Vielleicht ist es doch Ilse. Eingeschlichen! Das Mädchen bestochen. Nun hier. Scheu …«
    Die Augen brachen auf. Im Blut trieb weißlicher Schaum. Er rieb Lippe an Lippe. Aber die Worte zerfaserten, die Zunge stieß torklig am Gaumen, quoll, schwoll …
    Indem er die Lider klappte, wieder und wieder, beschwor er die Kraft zu fragen, in die Wangen fraß es Löcher … ach!
    Er fühlte sein Leben in dem: Aufgebreitetsein in der Nacht und den Atem der Bedrohung zu den Nüstern stoßend – Hilfloser!
    »Muttilieb …«
    Da wogte es klotzig, ein Luftwirbel zertobte das Dunkel, schwer, massig Gedunsenes stürzte an seine Seite, Hitze überspülte Gesicht und ein Volles, Klaffendes verwirrte die kühle Geschlossenheit seines Mundes. An der Stirne kitzelte Haar.
    »Erna!«
    Aber ihr Mund saugte den Schrei auf, stieß Atem in ihn, ihre Arme belegten die Brust, verwühlten den Deckenrand, entblößten …
    Kühle überspülte Weißes, Luft, Windzug vom Fenster her.
    Und ward zugedeckt von dem zehnfingrigen Getapse der Hitze, das die Rippen brannte, über das Weiche des Bauchs sprang und im Nabel kreisend, höhlend verhielt –
    Kaum! Denn schon ging es weiter, glitt, glitt, gezogen, schwellte, griff um …
    Und da riss es Kai zusammen, klappte ihn auf, schloss ihn, seine Faust ballte Feindschaft, fettsträhnig zügelte sie Haar, riss, riss, riss …
    Sie schrie, leicht und hell, irgendwo weit weg …
    Noch stieß sein Fuß, über das Gesäß rann die Kühle von Entblößtsein.
    Aber schon war das Zimmer entleert, und die Tür war längst zu, lange und längst, längst … längst! Längst!!

50
    Gedehnt ruht Kai. Jedes Glied wiegt eine Rinne in das Laken, höhlt die Kissen, und die Knöchel buckeln sich doppelt. Es kreist in ihm, singend, mit bohrenden Stößen drängt das Blut durch die zu engen Adern. Noch dampft die fremde Hitze aus den Tüchern, über die entblößte Brust streift kühl ein Luftzug vom Fenster.
    Auf der Hirnbühne huscht Äffisches, verkrümmt, doch nun die Arme auseinandergeworfen und mit magerer Knochigkeit die Fersen umspannend, dass das pelzige Gesäß grinsend nach hinten prallt. Haare wehen nach. Und eine kleine Ampel entreißt hie und da eine Spaltnase, einen gebläkten Mund weißrifflig dem Grau. Nacktsohlig überspringen Tänzer das fad Erhellte, ihre Gewandsäume flattern hinter ihnen; sie sind mit Gold bestickt. Und langsam kreist um sich ein Hockendes, Buddha gleich, das auf den Bauch mit zählenden Fingern Falten legt. An den Ohren klingen Klimperglöckchen.
    In den Gliedern, außen ruhend, regt es sich endlos. Von allen Teilen des Körpers sind Armeen aufgebrochen, Legionen strebsamfüßiger, durchscheinend roter Ameisen, ihre Kohorten durchziehen das Rückenmark, in den Adern wälzen sich kribbelnd die Scharen, sie stauen sich in den Gelenken und durchwandern endlos tippsend in ihrer sinistren Stillheit die langen Schäfte der Schenkel und Arme, sie überströmen die Ebenen der Lunge. Im Zentrum des Leibes scheinen sie Feuer zu entzünden, störrig in Lustigkeit schieben sie Kreise und Flächen von Tanzenden, die, ohne von der Stelle zu gehen, die Beine rühren, Kais inneres Fleisch kitzelnd bewedeln.
    Er wirft sich um.
    Sie sind fort, aber die Wärme blieb, sie glostet, dampftund glüht, sie bläht den Bauch; umsonst mit der Handfläche mildernd zu streichen, auch sie ist benetzt von einem schwärenden Schweiß; zwischen den Fingern klebt es.
    Plötzlich drängen die Schläfen, sie zerpressen das Hirn, das haltlos nach hinten quillt; zwischen grauem Gematsch steht weiß ein Ei, in dem ein schwarzer Kern dreht. Dann fließt es fort, und Worte wurden Situationen, sie stehen wild und unbegreiflich verzackt und verzähnt, aufgebaut wie Landschaften.
    »Tu es doch bitte, Ilse …!«
    »Doch liebe ich dich …«
    »Hebe die Hände um Rettung …«
    Er wirft sie heraus, über die Decke wirft er sie zur Ruhe hin, die Ruhelosen, Entzündeten. Aber, Schwelfeuern gleich, zersengen sie den Stoff, pressen ihre Marken in die Schenkel, und ihre Finger zerzupfen, verstoßen die Decke. Sie streifen das Hemd.
    »Was ist das? Wohin???!«
    »Gängele du nur, Kopf, weit

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