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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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solchen Spießern. Stumm bleibst du dem Haus fern, du Verjagter …«
    »Nicht stumm. Ich schrieb …«
    Arne bestätigte das Wertlose. »Du schriebst … Wenn schon. Ist das genug?« Und nun lohend: »Racha! Freund! Racha den Spießern!«
    Ein leises Prickeln durchtrieb Kais Adern, doch schien solchem Pathos gegenüber Rückhaltung geboten. »Sagt sich; tut sich nicht so leicht.«
    »Man überlege; nicht heute, nicht morgen, irgendwann. Wisse …«, und drehte dozierend den Finger um sich, dass der faxige Lichtreflex den Nagel bewanderte, »wisse: jede ungerächte Beleidigung ist Minderung des Lebensgefühls.«
    »Wo steht das?«
    »Eigenes Axiom.«
    »Und sonst …?«
    »Dies und das zu erzählen. Frucht deiner Briefschreiberei an eine gewisse … Doch ich sehe, die Uhr weist eindringlich, dass die alte Dame bereits seit zehn Minuten zum Schuhkauf wartet …«
    »Margot …?!«
    »Wer sonst. – Seit ich nämlich vor einigen Tagen mir für die Anschaffung von Schuhen anvertrautes Geld zu einem genussreichen Bummel verwandte, ist selbst der Ankauf eines Schlipses nur mit elterlicher Begleiterscheinung denkbar.«
    »Sag doch, Arne …«
    »Ein andermal, Lieber. Auch ich weiß zu schweigen, dann und wann.«
    »Aber, Arne …!«
    »Gehässig, weiß schon. Nicht zu verändern, Liebwerter. Kismet. Servus.«
    Einen Augenblick überspülte Kai im Gang Winterluft, die Schläfe frischend, aber dem Umwendenden schon lastete das Alte wiegend und krümmend die Schulter und das scherzhaft Erhellte war der Tür entschlüpft wie Schütt.

52
    Und in sein Zimmer zurückgekehrt, fand er sie dort aufbewahrt, die kleinen Gesten jenes andern, hie und da abgelegt und dann beim Fortgehen vergessen; ins Kissen gedrückt, durch die Luft gerollt, an der Fensterscheibe klebend: all die Gebärden dieses –: »ja, pain-expellers, der nur schlimmere pains brachte, nicht?«
    Und dem trostlos Erstarrenden härteten sie sich: der gespreizteZeigefinger krümmte langsam und hakte in eine jener entrollten Bauchfalten, um das schiefwinklig gegen das Kragengetürm im Horchen geneigte Haupt schlang sich lind der gewurstelte Arm, und schon tanzten sie an, schwangen trotzig-fest im Ignorieren Kais ihre Kreise durch die Luft und schneppten mit einem kurzen Laut, der zu klickern schien, vor seinen abwehrend gespreizten Fingern zu einem endlosen Traversieren in den Raum fort.
    Trostloser Einsiedel, du … du, dem der Traum von der Bewältigung des Lebens wie eine sonnenbestrahlte Qualle zwischen den Fingern zerrann, schleimig grau gelöst und die geflockten roten und grauen Streifen in ein breites Gesicker wandelnd, – nun siehst du gar von der Erscheinung des Freundes das Königtum deiner Schmach bedroht!
    Einsamer, du, gib nicht nach. Sieh, schon schlingt sich Finger an Finger um den Tischrand, du zerrst ihn ans Fenster, seitlich rechts und links die leistengekehlten Stühle, der Vorhang schnippt zu, das Gas knattert; stellst du das Bett um, den Langstuhl auf die Mitte des Teppichs und hockst dich hinein, so siehst du dem veränderten Gemach, deckendurch, unbeteiligt staunend, die tanzenden Gesten sinister entfliehen –: du blickst um dich: nun bist du allein.
    Wahrhaft allein: denn die Ketten der Menschen, gekannter und ungekannter, schwanken ferner schon, das Gesicht von deinem Frevel ergraut, da nur im Hirn sich dir die Verzückung jener wochealten Nacht belebt, da die Innenhaut deiner Schenkel wieder feucht zu werden scheint unter dem glatten Öl, das breitklecksig von Samen aufsprüht …
    Murmelst du –? Ja, nun siehst du dich wahrhaft allem Menschtum entfremdet, in deinerm Hirn, glotzend von Eiterfetzen und Schleim, brach die verruchte, nie gewesene Sünde dieser Befleckung auf und stieß schwärend dich in Eisigstes.
    »Keine Gemeinsamkeit, nein. Ihren Händen, ihren Gesichtern ist dies fremd. O, welche Sündenlast, nicht bereubar, welche menschenfremde Verruchtheit hat vom ersten Tag, den ich lebte, in mir geeitert, dass ich mich so weit verirrte?«
    »Nein, wenn ich aufstünde und dies sagte, sie sähen wie ich: da solches die Erde duldet, nicht aufbricht, vulkanisch donnernd: ist kein Gott. Wie könnte er sein! Ihn auszudenken, jetzt noch …? Nein!«
    »Am tiefsten liege ich unten. Ein Leben, nur dieser Idee geweiht, kann nie reinigen die Befleckung meines Seins. Wenn ich mich hinkniete, die klaffenden Adern in die schneewassergerissenen Ackerfurchen gedrückt und mein Blut der Erde gäbe – Sühne, dies? Sühne? Nie!«
    Er hob den Kopf,

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