Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
Endesunterzeichnete zu Anfang seines Schreibens Gelegenheit zu der Bitte genommen, den Fall nicht zu schwer zu beurteilen, also die Strafe nicht zu hart sein zu lassen, so möchte er, am Schlusse angelangt, doch darauf hinweisen, dass das sündige Vergehen des Schülers selbst, ferner die ungemeine Verschlagenheit, die sich in der naiven Abfassung des Briefes ausspricht, und am Ende die unehrerbietige Haltung seinen Lehrern gegenüber zweifelsohne nachdrückliche Ahndung verdienen, eine Ahndung freilich, die ich in den Händen eines so ausgezeichneten Strafrechtlers, als der Sie, sehr verehrter Herr Staatsrat, bekannt sind, aufs beste aufbewahrt weiß, da Sie dem Sohn gegenüber nicht anders entscheiden werden als in jedem Ihnen vorliegenden anderen Straffall.
    Ich muss meine Ausführungen mit der immerhin wohl recht bitteren und schwerwiegenden Mitteilung schließen, dass Ihr Sohn kaum zu Ostern wird versetzt werden können und zwar hauptsächlich wegen seiner mangelhaften griechischen Kenntnisse, eine Nichtversetzung, die um so betrübender sein würde, als die Reife dieses Sechzehnjährigen ihn kaum zum geeigneten Gefährten junger Schüler machen dürfte.
    Ich bin mit dem Ausdrucke vorzüglichster Hochachtung Euer Hochwohlgeboren sehr ergebener
    von Karstedt
    Direktor des Königin-Augusta-Gymnasiums.

60
    Ein Schatten spielte sich auf neben Kai, und da er, den Kopf beharrlich gesenkt, immer noch in sich glühenden Hass treiben fühlte, klang die Stimme jenes entsaugt und wachsweich: »Was ist, Kai? Wollten sie …?«
    »Du, Arne …!«
    »Merkten sie? Die anonymen Briefe …?«
    »Ja, ja, anonym …«
    »Aber woher?! Hat Margot …? Oder die Polizei …? Was wird …?«
    »Margot …«, und auffahrend sah Kai den Freund weit fort, »Margot …? Nein …«
    »Nein? Also Polizei …? Was wird? Was sagten sie? Rede doch! Um Gottes willen, Mensch, rede doch …! Wurde mein Name genannt?«
    »Dein Name??? Ach so, wegen Margot …! Nicht dein Name, nein!«
    »Aber sie werden erfahren, da sie den Schreiber erfuhren …«
    Ein ätzender Windstoß sprang plötzlich sie an, in ihn schrie Kai: »Oh, sie sind schlecht! Schlechter als wir! Wir, sind wir schon sündig, – kämpfen, bereuen, flehen Hilfe dieser Gefestigten, ach, nur gefestigt, da sie selbst Sünde zum Postament ihrer Macht vermauern, sich zu erhöhen über uns …«
    »Lauter«, schrie Arne.
    »Ja, eitelkeitsgedunsen zerrupfen sie selbst dies, unsre ihnen hilfeflehend hingekniete Schmach, und wenn sie reden, reden sie nur Bestätigung ihres Selbst, statt Hilfe für mich …«
    Er trieb fort. Dann – plötzlich die Arme gelockert, in den Beinen ein müdes Gefühl, merkte er sich über eine Brückenwand gelehnt; unten spülte, wehrbefreit, zwischen noch schaumigem Gerinnsel der Fluss Eisiges fort, und dieses Gleiten schien, endlos und rasch, Boden unter den ruhenden Füßen fortzusaugen und ihn, den Hilflosen, wegzureißen in eine unbekannte und drohende Zukunft. Seine Hand legte sich fester um sandsteinene Riefung.
    Arne keuchte: »Und die Briefe, deine Briefe, hatten sie die?«
    »Ja … hatten … aber weshalb?«
    »Doch Margot ist nicht tot, wie ich dachte …«
    Kai wandte sich fort, wollte fragen, doch schon hörte er sich schreien: »Verdammt Margot! Was soll denn sie!«
    Und jener, lauter auch: »Fort ist sie!«
    Da glomm Staunen: »Fort …? Und warum?«
    »Aber, Mensch! Deine Briefe …! Die ganze Zeit rede ich …«
    »Meine Briefe … du meinst meine Briefe an Margot …?«
    »Was denn sonst! Auch du sprachst von anonymem Geschreibsel …«
    »Und meinte jenes von – Klotzsch!«
    »Klotzsch??!!«
    »Das heißt, ich weiß nicht … Eine Vermutung des Direx. Dein Ehrenwort, dass du schweigst …«
    »Werde schweigen, Ehrenwort! Doch was …?«
    »Ach, ekelhaft! Bin noch taub. Kaum zu reden davon. Anonymer Brief an Direx, ich sei faul, unverträglich – – – Onanist!«
    »Was …!«
    »Denke dir!« Und da er unmutvolles Staunen des andern merkte, Beklommenheit, Versinken in schweigende Scham, war Kai schon obenauf. »So ein Schwein!«
    »Aber Klotzsch …«
    »Er denkt Klotzsch …«
    »… wegen Ilse …?«
    »… du meinst …?«
    Bestimmt, hackmessrig: »Nur!«
    Und langsam Kai, indes die Lider sanken, aufberstende Freudenflammen zu bergen: »Möglich …«
    Schneller dann: »Doch er erreichte nichts, jener. Ich will nichts wissen. – Ich bin schuldlos. Also …«
    »Aber du siehst, welche Waffe, welche Gemeinheit!«
    »Enttäuschungstief,

Weitere Kostenlose Bücher