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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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doch auch zu überkommen …«
    »Nein! Gleiche gegen ihn, gleiche gegen sie!«
    »… ach …!«
    »Auch Margot floh, auf deiner Briefe Mahnung. Nichts ohne Widerhall.«
    »Du sagtest schon, verzeih, ich verstand nicht ganz …«
    »Ich war bei ihr. Natürlich kein Wort von diesem Brief! Ich war froh … am nächsten Abend, da ich schellte: ›Sie ist  fort.‹ – ›Fort! Wohin?‹ – ›Ganz fort. Niemand weiß …‹ Wir glaubten erst, sie sei tot … Selbstmord … Schmach … Reue … Deine Briefsätze kreischten in mir, ihre Tränen sah ich sickern. Doch nun, man denkt, dass sie fort ist, in die Heimat … Ehrlichkeit wieder … Schneiderin …«
    »Schneiderin …!« Und da des andern Blick prüfte, leise: »Das wollte ich nicht. Ich nicht. – Verzeihung. Fort. Allein sein …«
    Und es trieb ihn zwischen die Büsche. An den Enden der Ruten hingen weiß erstarrt Tropfen; die die Sonne schon einmal getaut; der Kies war zerwühlt von Wasser; die Rasennarbevon schollig gelagertem Eis zerfetzt, aber doch trieben schon, dort im Winkel, von den Stämmen der Ulmen geschützt, dicke Knospen einem noch fernen, kaum schon glaubhaften Frühling zu.
    »Nein, ich wollte es nicht … Nähe war es … in einen Schoß geborgenes Schluchzen und, aufgerichtet über den kleinen Bewegungen, am Ende dann das große Monument unserer Liebe, Trost, Rückhalt im Aufblick, Kraftspende … Nun sitzt sie dort. Ihre Stimme, die den stickigen Qualm der Cafés goldpunkten bestickte, Rauschen von Licht, klingt von den entfärbten Wänden eines verhassten Zimmers wieder; ihre kleine volle Hand, so bebend in meine geschmiegt, geht nun Wege, die Kleines Geld heißen; der Amselruf meiner Briefe rief sie zu Ehrbarkeit ins Dunkel, da er doch allein reine Liebe barg …«
    Er sann fort, die Stirne gesenkt, und nun, als leise das Bewusstsein eines andern Briefes zu glimmen begann: »Doch wirkten sie. Sie schufen Tat. Ein Ding, mit leichter Gebärde der Welt geschenkt, da ward’s aufgefangen, wirkte Kraft, und was nächtens im Einsamen wurde, eine Geste des Ungläubigen, sprengte donnernd das Mädchen: lebenbestätigende Tat!
    Und auch jene anderen … Da ich vor ihnen stand, vergaß ich Gefahr. Schlingen; Brücken, deren Balkenbelag unspürbare List vor meinem Fuß verschob … Doch im Sturze angeklammert, emporgerissen, auf die Ellbogen gestemmt, die Füße eisig beweht von geahnter Tiefe endlosen Falls, grinste ich ihnen mein Leben aus entfärbtem ins entfärbte Gesicht – Anklage … Leben! Leben!
    Auch du Kleine dort, sicherheitsgeborene, schlösserverhängte … keine Teichfläche so glatt, dass ein Stein sie nicht in tausend Ringe zerklirrte … kein Nacken so gesteift, dassnicht Leid draufzulasten … kein Herztakt so gemäßigt im Schlag, dass er nicht Zucker täte aus Angst und Liebe …
    Wie wehrte ich mich! Welche Wege trieb ich, gegen die Richtung der Fahrt Hand und Fuß gestemmt; nannt Feind den wilden Motor: Es! Doch der schlug, zwang mich, und nun begreife ich schon, dass er allein mein Freund war, Zeichen sendend; die Schlingen, die er mir legte, rissen mich auf aus dem Abgrund zur luftüberwehten Ebene der Erkenntnis … freundliches Es …«
    Und als schon wieder über Straßen wellengleich Lärm trieb, an den Klippen der Kreuzungen brandend: »Zweifele ich denn noch …? Ich weiß es wohl … gutes Es!«

61
    Von vielen Füßen fasrig gekehlt führten Stufen zu einer weißen Tür, zwischen deren Barockzierden ein Messingschild steil stand. Die Klingel schrillte, und einen Augenblick schien es Kai, als stürze auf ihren Ton aus jeder Fensternische, jedem Winkel der Treppe die Schar geschäftig geröteter Antlitze auf ihn zu – nicht auszumachen, ob abwehrend oder ermahnend –; doch schon schlürfte Schritt, und der Öffnende war der Beste: Hans Schirmer.
    »Du, Kai …!« Und durch die schief hängende Nickelbrille schoss stumpf und hilflos der schwärzliche Blick, kaum mit Licht besteckt durch Erstaunen.
    »Ja, ich, alter Freund. Nach dir zu schaun, zwang mich mein Herz. Wie? Lange nicht gesehen? – Und so also …?« Da nun Kais Blick das Sekretariat überflog: gedehnte Holztische, papierüberhäuft; eine Schreibmaschine, über deren nickelnen Rand starr ein Foliobogen drohte; Aktenmappen,grüne und rote; Schnellhefter, hastig in Fächer geschoben oder zu Stößen auf einen Stuhlsitz gehäuft; kalter Zigarrenrauch; – und nun, weil in diese Umschau nur das Knarren von Schirmers Schuh lauthaft griff:

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