Der junge Goedeschal - Roman
»Allein?«
»Mittagspause. Ich habe allein Dienst.«
»Und … es gefällt dir? – Nicht wahr, du rauchst? Hier! Wir dürfen doch rauchen?« Und auf die zusagende Gebärde: »Man weiß nicht, solche Bureaus, nicht? Es ist so verschieden?«
»Freilich …«
Aber trotzdem nun Rauch friedlich sich drehend emporstieg, blieb jener dort gar zu erwacht, wartend, Ungläubiger sonderzwecklosen Besuchs. Doch Kai trieb langsam sein Spiel, legte Schlingen, paffte so friedlich. »Und wenn ich nun denke: du schon in Brot und Beruf, ich auf der Penne … Weißt du noch, unser Garten …? … Wir schossen nach der Scheibe … Beinahe wurdest du König, schossest gut, trotz deiner Augen.«
»Wie lange …«
»Endlos lange her. Dann das Radeln. Nach Taubenheim der Ausflug, als ich über die Lenkstange schoss. Um die kiesig zerkrallten Hände schlangst du mir Lappen, aus den Hemden gefetzt; sticheltest die Hosenknie zusammen …«
Kai sah schräg durch das Fenster, wo droben zwischen dem Gezackten eines Daches wenig Winterhimmel grau stand. Ein kleines, ermüdetes Widerstreben, Zweifel am Wert von Schlingen, dann doch neuer Versuch: »Wir sind gute Freunde gewesen, nicht? Und geblieben! Das vergisst sich nicht …?«
»Nein …«
»Natürlich nein! Dass ich frage! Versteht sich! Wir ließenuns nie im Stich, stets war Freundespflicht erstes Gebot. Beispielsweise, als du … wie war es doch? Im Augenblick ist’s mir entfallen. Nun, ganz egal … Du weißt schon …«
»Ja …«
»Und das bleibt so, nicht wahr? – Ich sehe dir ja an, Hans, du wartest. Denkst, wie viel Vorreden! Nun ja, unter Freunden ist Offenheit Bedingung …«
Kai verhielt, prüfte den Blick, zögernd dann: »Also eine kleine Bitte … eine Kleinigkeit … Aber nun rede doch! Willst du nicht? Du sitzt da, Ölgötze, als wolltest du nicht!«
»Ich weiß ja noch gar nicht …«
»Es ist nur wegen der Handschrift, musst du wissen … eine Kleinigkeit, Scherz allein, so ein Spaß …«
»… Handschrift …?«
»Nun ja natürlich, wegen der Handschrift! Verstehe doch! Nein, Mensch, wie umständlich bist du geworden? Macht das der Beruf?«
»Handschrift …?«
Er sah Kai an, sank wieder zusammen.
»Nun was denn? Handschrift! Rede doch nicht so, bloßer Scherz sage ich dir, nichts, so gewichtig zu starren; jeder Freund tät’s dem andern zugut – oder nicht?!«
»Doch, natürlich, Kai! Ich sage ja gar nicht, dass ich nicht will. Nur weiß ich nicht …«
»Ach, nichts weiter, nur einen Brief sollst du schreiben für mich … So, setze dich da an das Pult … Ihr habt Umschläge und Bogen ohne Aufdruck? – Also gut! Du brauchst nicht so schön zu schreiben: eine Gebrauchshand, wie sie jeder haben könnte, je unauffälliger, je besser. – – – Erst die Adresse: ›Frau Lorenz, hier, Marktstraße 67, 2 Treppen.‹ Keinen Absender … Zum Donner! Wer hat dir gesagt, dass du einen Absender auf den Umschlag schreiben sollst! Das fängt ja reizendan. Also noch einmal … Nun der Brief selbst … Halt! Schreib noch auf den Umschlag: ›Hochwohlgeboren!‹«
Er sah vor sich hin, ein kleiner Triumph wollte in ihm aufgehen, da er dieses letzte Wort als eine Demütigung mehr hinzuwarf, doch schnell kam Trübheit, taubes Gefühl erfüllte die Brust, und jenes Wort hinten, ruckweis sich nähernd, unvermeidlich, schuf aus Scham Begierde zu trotzigen Gesten. Dennoch zu sich: ›Schmerz? Nein. Aber so fremd … als wenn ich mich verlaufen hätte, rettungslos von mir fort …‹
»Doch nun den Brief. Kein Ort. Kein Datum. Oder halt! Wie sagt man auf Drucksachen …? Na?«
Und hob stärker atmend die Brust, zwang sich hoch, sah um sich, sann, lächelte dann: »Datum des Poststempels. Schreib: ›Datum des Poststempels.‹ Guter Witz! – – – Und nun der Text:« Aber er redete nicht. Es war, als überschlüge sich eine Welle, dunkel. Dann klang Klavier irgendwoher, sechs, acht Töne, immer die gleichen. Stolprig. Hart. Ungeschickt.
›Ein kleines Mädchen übt … Muss ich es denn tun …? Wie sie eifrig ist und fleißig! Wieder stolpert sie. Umsonst … Dein Eifer umsonst …, alles ist umsonst gewesen, kleines Mädchen, am Ende dann …‹
War es nicht wieder sehr dunkel? Endlos kühles Geschiebe um Kai?
›Ja, im Dunkeln aufgehängt, so ist es. Wenn ich schon schreie, niemand da, der hört. Auch Ilse – gleich sagte ich ihr: alles kommt, wie es kommen muss. Jettchen ist tot und Onkel Jason – aufgehängt im Dunkel …‹
»Nun also: ›Sehr
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