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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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überfließenden Auges der Gefährte, den ich um dich entließ.
    Ich war sehr einsam. Selbst meinem Leid glaubte ich nicht, da es stets in mich zurückfiel … Warum war der Himmel blau, da es niemand gab, dies ihm zu weisen? – Nun strahlt er heller wieder in dir. Manchmal, nachts, ging einer an meiner Seite und äffte mich; warf ich schon Steine, ihn verscheuchte ich nicht, und der eben Geflohene schlich schon seitlich im Graben an meinem Weg, indes seine Arme höhnend ruderten …
    Glaub nicht, diesem Pfad gäbe es Ende. Wir wollen von der Liebe sprechen, die uns eint. Denkst du: je versinkt die Sonne? Sieh, sie rastet auf den Bäumen. Ich will mich ruhen in deinem Schoß, und indem ich emporschaue, wird sie höher steigen, leuchtender noch …
    Viel suchte ich dich. Konnte nicht jeder Mensch Erfüllung sein; jedes Leben? Auch habe ich dich gehasst. Aber auch dies verhallte, umsonst. Ich litt um deinetwillen, vergebens. Erst, da du mitlittest, da auch deinem Auge entstürzte, was mir bitter ist, einte uns Liebe. Wie leicht ist das! Wüsste man es von je! Alles ist unfruchtbar, nur gemeinsames Leid ruft Liebe …
    Du sprichst nicht? Komm, dort zwischen den Büschen steht eine Bank. Den Kopf zurückgelehnt, werden wir uns über die Zweige in den Himmel schwingen. Wir werden im Blau ertrinken. Vergiss nie meine Hand. Sie ruht in deiner. Entfremde sie dir nicht.«
    »Sieh, dort liegt Papier. Ein Stift. Ich werde dir Verseschreiben. Syringen werden darin sein, ihr Duft aus diesen  Zeilen noch an dein Bett. Jene weiße Göttin im Grün werde ich beschwören, und von meinem Atem belebt, wird sie um dich sein und Liebe in dich einsenken … noch mehr Liebe … Wärme …
    Ich werde sie deiner Mutter senden, die Verse. Sie ist mottengleich, taumelt im Dunkel, aber von meinen Worten betört, wird auch sie dem Licht glauben und gut sein. Sieh, schon schreibe ich, drängende Liebe strömt aus mir, gleich lege ich sie in dich und sie, Samenkörner. Sie werden wachsen – horch! Auch die Vögel schweigen schon …«
    Sehr geehrte Frau Rat, lassen Sie sich nicht täuschen! Und wenn Sie sich täuschen lassen: Ihre Freunde wachen für Sie. Täuschung die Entfernung des Schülers Goedeschal. Er sieht Ihre Tochter jeden Tag. In den Anlagen der Promenade zwischen fünf und sechs werden Sie den Schüler Goedeschal mit Ihrer Tochter Unzucht treiben sehen. Ein Freund Ihres Hauses, der wacht.
    »Ist es nicht recht so? Es klingt schön, nicht wahr? Nun wird Erdachtes die Liebe schüren. Liebe ich nicht am meisten im Schmerz? Auch du wirst leiden, um mich. Wie ich hierhin trieb! Dünnes Gerede, matt geflüstert, im Halbschlaf. Ich glaube, schon im Beginn, da noch alles Süßigkeit schien, was die Lippe sprach, wusste ich dies geschriebene Ende. Irgendwo tief saß es. Dann kam’s …
    Kleines Mädchen, Liebste, nun liebe ich dich … Ich werde schlafen können. Morgen ist alles weit fort, trieb stromab. Was betrifft es mich?«

59
    Sehr verehrter Herr Staatsrat Goedeschal!
    Ich habe Ihnen auf Beschluss des Lehrerkollegiums der Obersekunda von den folgenden Ereignissen Mitteilung zu machen, die ich Sie, sehr verehrter Herr Staatsrat, in ihrer Tragweite und Schwere keinesfalls zu überschätzen bitte; denn so ungewöhnlich in den Annalen unseres Gymnasiums wie des humanistischen Gymnasiums überhaupt ein derartiger Fall auch erscheinen mag, so ungewöhnlich es des ferneren erscheinen mag, dass ein Lehrerkollegium sich mit derartigem Schreiben an die Eltern eines Schülers wendet, so will doch grade dieser Schritt nicht so sehr die Tragweite und Schwere dieses Falles betonen, als denn vielmehr ihn zu erleichtern sowie ihm die Spitze abzubrechen gesonnen sein.
    Bei dem Endesunterzeichneten lief gestern die in Abschrift beigefügte anonyme Anzeige ein, die, da Grundlage zum Verständnis folgender Ausführungen, er sofort einer Einsicht zu unterziehen bittet. Sosehr es nun sowohl in meinem Gehaben als bloßer Privatmann als auch als Anstaltsleiter liegen mag, derartige anonyme Machwerke einer Beachtung nicht zu würdigen, erschien es dennoch in vorliegendem Falle ratsam, von sonstigem Gehaben eine Ausnahme zu bewerkstelligen, als unzweifelhaft sowohl nach Ansicht des Schreibers dieses als auch des gesamten in Frage kommenden Lehrerkollegiums, und zwar, indem man sowohl das Inhaltliche als auch die Schrift gewissenhafter Prüfung unterzog, feststeht, dass (vergleiche hierzu auch Absatz 4 dieses Schreibens) – der Denunzierte zugleich der

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