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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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seinen Braunen an und verschwand, durchnäßt, wie er war, in der Rindenhütte. Bald kam er in trockenen Kleidern wieder heraus. Er hatte sich offenbar einen Arbeitsanzug des ertrunkenen Fährmanns angeeignet, schlenderte herbei und blieb bei Bob stehen.
    »Schöne Schweinerei!« Pitt pflanzte sich breitbeinig auf. »Alles naß! Nicht einen einzigen Schuß könnte man jetzt abgeben! Bobby, hör mal, hast du wirklich alles versoffen, oder kannst du für den Anzug, den ich angezogen habe, den beiden Jungen was zahlen? ’s war ihr Vater, der ertrunken ist. Der Herr mit der Brieftasche ist pleite. Er hatte sein Geld noch im Rock stecken, der jetzt den Missouri hinabschwimmt. Gepäck und Waffen sind samt dem Maultier beim Teufel! Erst in Niobrara oder auf Fort Randall wird dieser Herr Morris wieder Bankverbindung haben! Dorthin ist’s für uns jetzt näherals zurück nach Yankton – über den dreimal verdammten Strom!«
    »Zahl doch du selbst, was du den Waisen weggenommen hast!« gab Bob zur Antwort.
    »Ich hab doch nichts mehr. Ich hab nie was! Darüber hat sich schon mein Alter erbost, und darum bin ich in den wilden Westen ausgerückt. Willst du mich jetzt noch ans Sparen bringen? Das nützt einem kleinen Mann doch nichts.«
    »Ein Schweinekerl bist du!«
    »Kann ich die Jungen zu dir schicken, Bob, oder nicht?«
    »Mal sehen. Sie sollen herkommen!«
    »Gut, das ist ein Wort.«
    Pitt entfernte sich, um den beiden Bescheid zu sagen.
    Die Jungen kamen. Hochaufgeschossen waren sie, mager, muskulös. Das Wetterbraun ihrer Haut konnte nicht verbergen, daß sie blaß waren.
    »Euer Vater ist nun tot«, sagte Bob. »Er hat’s nicht anders gewollt. Wo ist eure Mutter?«
    »Drüben in Yankton.«
    »Habt ihr noch ein Schiff?« Kopfschütteln antwortete.
    »Hat die Mutter Arbeit?«
    »Sie wäscht bei den Leuten.«
    »Wie alt seid ihr?«
    »Ich bin dreizehn, mein Bruder ist zwölf.«
    »Was wollt ihr jetzt machen?«
    »In der Hütte leben, bis der Strom sinkt.«
    »Habt ihr bis dahin zu essen?«
    Kopfschütteln antwortete.
    Bob wandte sich an den Ponka. »Was machen wir mit den beiden Kröten? Was sollen sie essen, bis sie zur Mutter hinüber kommen?«
    Jack gab keine Antwort. Er schien anzunehmen, daß eine solche Frage für zwölf- und dreizehnjährige Jungen keine Frage mehr sein könne. Aber Bobby blieb besorgt.
    »Hallo!« rief er den beiden Jungen zu. »Wie weit ist es von hier bis zum nächsten Dorf?«
    »Zu Pferd eine Stunde.«
    »Die Strecke könnt ihr laufen. Ich kauf euch eures Vaters Anzug ab, den der Pitt jetzt trägt, und geb euch noch was dazu. Ihr kauft euch zu essen und arbeitet im Dorf. Was ihr dann an Geld übrig habt, gebt ihr der Mutter. Verstanden?«
    Dem Jüngeren sickerten ein paar Tränen über dieBacken. Bob öffnete seine Gürteltasche. Es zeigte sich, daß er keinen Penny versoffen hatte. Den Jungen gab er einen Dollar. Sie staunten, als ob ein Wunder geschehen sei. Von diesem Geld konnten sie einen halben Monat leben, und wenn sie sehr sparten und etwas dazuverdienten, sogar noch länger. Es schien ihnen unfaßlich, daß der Nigger ohne Jacke so reich und daß er so freigebig war.
    »Du kannst auch in der Hütte sitzen!« lud der Ältere ein.
    »Im Freien ist es mir aber gemütlicher. Haben wir nicht ein schönes Feuer? Setzt euch zu uns her!«
    Die Jungen folgten.
    Aus der Rindenhütte kam ein merkwürdiger Ton. Es war, als ob jemand schluchzte.
    »Das ist der reiche Mann, der jetzt kein Geld mehr hat«, sagte Bob.
    »Er weiß, daß das Schiff nicht gesunken und der Schiffer nicht ertrunken wäre – ohne dieses Geld«, antwortete der Ponka, der sonst kaum je etwas sprach.
    »Ja, so ist’s. So ist’s. Wer will ihm die Schuld abnehmen? Mit seinem Geld hat er den Kindern den Vater genommen.« Bob war traurig und kümmerte sich um das Feuer, um etwas zu tun.
    »Auf dem Grunde des Missouri liegen schon viele hundert Schiffe«, sagte der jüngere der beiden Burschen leise.
    Bob nickte, »’s ist ein böser Strom, ein wilder Strom.« Er wandte sich an Jack. Bis dahin hatte er mit dem Ponka stets englisch gesprochen, jetzt aber sagte er in einer Indianersprache, die die Buben nicht kannten und nicht verstanden: »Hast du die beiden Fremden auch erkannt? Das ist Weitfliegender Vogel Gelbbart Geheimnisstab, der Bilder malen kann, und sein roter Bruder Langspeer, der Cheyenne, den er aus einer Reservation freigekauft hat.«
    Der Ponka nickte.
    »Langspeer hat dich erkannt – fürchte ich«, fügte Bob

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