Der junge Häuptling
schweigen.«
»Ich weiß es. Sonst würdet ihr noch im Missouri schwimmen.«
»Ich habe dich gebeten zu kommen.« Der Maler suchte offensichtlich nach den rechten Worten gegenüber dem Gast, dessen bemalte Züge er nicht entziffern konnte. »Wir haben uns vor dreizehn Sommern zum erstenmal gesehen. Damals warst du ein Knabe im Zelt deines Vaters Mattotaupa, den ich bei euch Dakota als einen prachtvollen Mann kennenlernte. Wir haben uns zum zweiten- und zum drittenmal gesehen. Dein Vater war verbannt worden; die weißen Männer ruinierten ihn mit ihrem Brandy, und du warst unser Kundschafter – neunzehn Jahre alt. Jetzt bist du vierundzwanzig und Häuptling bei deinem Stamm. Was ist aus deinem Vater geworden?«
»Der weiße Mann mit Namen Jim, dieser Fuchs, der sich auch Fred Clarke nennt, hat meinen Vater ermordet und skalpiert. Der Tote wurde den Fischen zum Fraße gegeben.«
Der Maler fuhr zusammen. »Das war also das Ende.«
Es trat wieder Schweigen ein.
Der Maler schob eines der Blätter, die er vor sich auf dem Tisch liegen hatte, hin und her. Er schien es noch einmal zu lesen.
»Vielleicht abwegig«, sagte er endlich, noch immer zögernd, »aber doch solltest du es lesen. Weißt du etwas von dem Stamm der Shäheptin?«
»Ein kleiner Stamm im Nordwesten.« Der Indianer brachte seine Pfeife, die ihm ausgegangen war, wieder zum Brennen.
»Ein tapferer kleiner Stamm. Die Shäheptin wollten über die Grenze nach Canada auswandern, um nicht in eine Reservation bei uns in den Staaten ziehen zu müssen. Mitten im Winter machten sie sich auf, in Eis und Schnee wanderten sie mit Frauen und Kindern durch die Berge. Als sie die Grenze fast erreicht hatten, waren ihrer so viele erfroren und verirrt, daß sich die Häuptlinge mit dem Rest ergaben. Ich habe hier den Bericht über die Rede des Häuptlings, mit der er kapitulierte.« Der Maler schob dem Indianer das Blatt hin.
Dieser las, langsam, mehrmals, als ob er die Worte dieser Rede auswendig lernen wollte. Als er das Blatt zurückgab, sagte er: »Der große Vater in Washington und die vielen kleinen Väter, die ihm herrschen helfen, sind merkwürdige Menschen. Sie sind wie die Reiter, die die Pferde am Zügel zurückreißen und dabei auf sie einschlagen. Sie halten die roten Männer mit viel Anstrengung fest und quälen sie in den Reservationen.«
»Du weißt, daß die Dakota schon vor einem Monat die neuen Reservationen bezogen haben sollten?«
»Hau. Mitten im Winter.«
Morris schien zu überlegen, ob er die weitere Frage, die ihn bewegte, aussprechen dürfe. Er entschloß sich dazu, sie zu stellen: »Was werden die Dakota tun?«
»Das mußt du die Oberhäuptlinge und die oberste Ratsversammlung dieses Stammes fragen.«
»Hast du selbst vielleicht eine Frage an uns – Jack?«
»Nein. Oder wollt ihr mir sagen, mit welchem Recht die weißen Männer alle heilig beschworenen Verträge brechen?«
Der Maler senkte den Blick. »Du weißt«, brachte er stockend hervor, »daß ich das Totem Tashunka-witkos, eures Oberhäuptlings, besitze und daß ich keinen Dakota töte oder verrate. Ich weiß nicht, ob ihr gegen unsere Armeen kämpfen wollt. Wenn ihr kämpft, so werdet ihr diesen Kampf verlieren. Ich weiß nicht …«
»Aber vielleicht«, sagte Jack, der Ponka, der in Wahrheit Harry Tokei-ihto hieß und ein Dakota war, »vielleicht weißt du, Weitfliegender Vogel, warum jene weißen Männer, die dafür gekämpft haben, die Negersklaven zu befreien, jetzt dafür kämpfen, die Dakota in ein großes Gefängnis einzusperren, das sie Reservation nennen, und warum sie sie dort behandeln wollen, wie weiße Männer in einem Irrenhaus behandelt werden – ohne Recht, ohne Freiheit?«
Der Maler starrte den Indianer an. »Die Neger sind Arbeitskräfte unserer Farmer und Unternehmer, auch wenn sie frei sind. Die Dakota wollen einen Staat für sich bilden und nach Prinzipien leben, die wenig Nutzen für die Wirtschaft abwerfen.«
»Die Menschen sollen also für euren Nutzen oder gar nicht leben?«
»Jack, die Sieger im Bürgerkrieg sind korrupt und übermütig geworden. Über uns selbst regieren die republikanischen Stahlmänner heute in fast unerträglicher Weise. Vielleicht ändert sich das einmal. Aber für euch ist es dann zu spät.«
»Hast du etwas von den Dakota aus Minnesota gehört, Weitfliegender Vogel, die vor vierzehn Sommern nach Canada gezogen sind?«
»Sie leben bis heute am Sourisfluß.«
Der Indianer erhob sich. »Du wirst mein Bild nie malen,
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