Der junge Häuptling
Weitfliegender Vogel Geheimnisstab. Ich gehe.«
»Sehen wir uns noch einmal?«
»Ich glaube nicht.«
Als der Indianer schon nach der Türklinke griff, hielt ihn der Maler noch einmal auf. »Jack – erinnerst du dich aus deiner Kundschafterzeit noch an Henry Henry, den Ingenieur, den jungen Freund von Joe Brown, diesen großen Pionier der Union Pacific? Ihr kanntet euch.«
»Ich erinnere mich.«
»Er ist hier.«
Der Indianer zeigte keine Unruhe.
»Henry will zu der Station am oberen Niobrara reiten. Er hat sein Geld versoffen, hat beruflich einen großen Rückschlag erlitten und will etwas wettmachen. Durch die Black Hills sollen Zweigbahnen gebaut werden. Henry …«
»Es ist für Henry besser, wenn er in die Städte des Ostens zurückgeht.«
»Du würdest ihn nicht schonen?«
Der Indianer tat, als ob diese Frage nicht gestellt worden sei. Er ging. Leise schloß er die Tür hinter sich.
In der hellen Stube saß Morris, der Maler, und hatte den Eindruck, daß es rings um ihn dunkel werde.
»Langspeer?«
»Ja?«
»Die Freundschaft der Menschen, die ich schätze, entgleitet mir. Sie werden sich untereinander morden …«
Der Maler erschrak und verstummte, denn er hörte einen festen Schritt die Treppe heraufkommen. Der Indianer war auf leisen Sohlen weggegangen, sein Tritt war nicht zu hören gewesen.
Es klopfte, gleich darauf trat ein Mann von etwa dreißig Jahren in die Stube ein. Er knallte die Tür zu. »Morris«, rief er, »wir haben uns vorhin beim Kommandanten nur so kurz begrüßt! Was für ein Wiedersehen nach so vielen Jahren, das muß doch gefeiert werden! Hier, ich habe eine Flasche exquisiten Whisky mitgebracht!«
»Henry, du sollst nicht schon wieder trinken! Du ruinierst dich!«
»Nur heute noch einmal! Nur heute! Zum Abschied. Morgen reite ich zu der Station von Smith am Niobrara! Das Leben in der Wildnis fängt noch einmal an! Mein alter Gönner und Lehrmeister Joe Brown baut die Northern Pacific, Henry Henry aber wird die Bahn zu den Goldbergwerken der Black Hills bauen! Kommt, haltet mit!«
Morris nippte. Langspeer schob das gefüllte Glas weg.
»Mit wem zusammen reitest du zum Niobrara?« forschte der Maler beunruhigt.
»Mit wem? Mit dem Brief von Oberst Jackman und mit zwei ausgezeichneten Scouts, Bob und Jack. Pitt hat die kurze Nase voll, er will vorläufig nicht mehr zwischen die Dakota geraten.«
»Laß du das auch sein, Henry! Um Gottes willen, laß das sein!«
»Was hast du denn, Morris! Angst vor unserem ehemaligen Scout Harry, der jetzt unter dem Namen Tokei-ihto als Häuptling der Bärenbande die Gegend am Niobrara unsicher machen soll?«
»Angst um dich! Ehrlich gestanden, ja.« Der Maler war etwas erleichtert, weil er mit gutem Gewissen wenigstens die halbe Wahrheit sagen konnte. »Wenn Joe Brown, dein alter Freund, hier wäre, er würde dich ebenso warnen, wie ich es tue!«
Henry goß den Inhalt eines Glases hinunter. »Um unseren ehemaligen Harry wird viel Legende gesponnen! So weit her ist es mit dem jungen Mann wirklich nicht; wir haben uns doch gekannt. Ein schußfertiger Revolver – und schon liegt der Häuptling auf der Nase im Gras!«
Morris schüttelte es.
»Morris, zart besaiteter Künstler! Wenn du mitten im Fort Randall schon bei dem bloßen Gedanken an Harry Schüttelfröste kriegst, dann reite doch lieber schnurstracks wieder nach Hause! Denn etwas lebhafter als zur Zeit dürfte es diesen Sommer in den Prärien hier noch werden!«
»Laß den Spott, Henry! Und reite um des Himmels willen nicht allein mit zwei Scouts, die du kaum kennst, zum Niobrara! Warte ab! In vierzehn Tagen gehen eine Abteilung Kavallerie, eine Munitionskolonne und Miliz nach dem Fort von Smith. Schließe dich diesen an!«
»Ich bin doch kein Kind! Eben diese Munitionskolonne soll der Station am Niobrara durch den Brief angekündigt werden, den ich dorthin bringe!«
»Das ist unzulässig! Eine Privatperson als Kurier! Es ist unverständlich, mit welchem Leichtsinn wir oft verfahren!«
»Der Kommandant gibt mir die fest verpflichteten Scouts seiner Truppe mit, zu deiner Beruhigung sei es gesagt! Übrigens habe ich auch Presseaufträge. Ich werde der erste sein, der vom Niobrara Augenzeugenberichte schreibt.«
Morris gab auf diese Antwort hin seinen Widerspruch auf.
Henry lachte und trank noch drei Glas. »Aufs nächste Mal!«
»Hoffen wir es.« Morris’ Nerven zogen sich zusammen. Er war nahe daran, sich vor Aufregung zu erbrechen. Henry schüttelte den Kopf, schürzte
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