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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Auftrag!«
    »Den Befehl gebt mal an den Missouri weiter!« antwortete der Fährmann ungerührt. »Vielleicht gehorcht der Eisgang!« Er wies mit dem Daumen über die Schulter auf die treibenden Eisblöcke und die Stauungen. »Zahlt euer militärischer Auftraggeber eine neue Dampffähre und die Rente für meine Witwe?«
    »Spar dir doch die dummen Redensarten! Wir müssen sofort hinüber!« Pitt dachte an seine kleinen Privatgeschäfte; er wollte sie sich nur ungern entgehen lassen.
    Der gutgekleidete Herr zog seine Brieftasche. »Was verlangt Ihr für die Überfahrt?«
    »Hm, na ja.« Der Fährmann nannte den zehnfachen Preis. »Aber für einen jeden!« fügte er hinzu und blickte rundum. Unwillkürlich folgten alle Blicke den seinen, um die Meinung aller Fahrgäste zu erkunden. Jeder der Wartenden sah die anderen der Reihe nach prüfend an. Dabei schien der schön gekleidete Indianer, dessen Gesicht nicht bemalt war, plötzlich zu erschrecken. Er sagte aber kein Wort, sondern wandte sich nur ab und blickte über den Strom.
    »Also los!« drängte Pitt. »Bobby! Du hast Wettgewinn gemacht und noch einen Teil des Siegerpreises dazu bekommen! Du zahlst für uns drei!«
    »Nein, nein, nein! Nix zahlen! Ich alles versoffen.«
    »Was, alles versoffen? Bist du noch bei Sinnen?«
    »Ganz bei Sinnen!«
    »Wird das hier in den kommenden Tagen besser oder schlechter?« fragte der fremde Herr den Fährmann.
    »Schlechter. Die nächsten zwölf bis vierzehn Tage ist’s bestimmt nichts mehr mit dem Überfahren. Kein Schiffer und kein Steuermann, der organisiert ist, übernimmt das Risiko.«
    »Du bist nicht organisiert? So mache dein Schiff klar! Ich zahle für uns alle den geforderten Preis.«
    »Und für die Pferde? Und für das Maultier?«
    »Wie willst du sie rechnen?«
    »Jedes Tier gleich vier Männern. Ärger machen sie uns noch viel mehr!«
    Der Herr mit der Brieftasche ließ sich nicht abschrecken. Das schien allen verwunderlich, denn er hatte zarte Hände, kränkliche Züge und graues, weiches, gepflegtes Haar. Er wirkte nicht wie ein Mann des großen Risikos. Irgendein Wunsch oder irgendeine Idee mußte ihn so stark beseelen, daß er bereit war, eine Gefahr auf sich zu nehmen, der er nicht gewachsen schien.
    Während er zahlte, führte Pitt seinen Braunen schon auf die Fähre, sehr befriedigt von diesem Fortgang der Angelegenheit. Es war nicht leicht, die Tiere auf das Schiff zu bringen, denn sie witterten die Gefahr. Der Indianer mit der kostbaren Halskette hatte seinen eigenen Schecken und den Apfelschimmel des Weißen am Zügel. Bob sprang ihm bei und übernahm das Maultier mit dem Gepäck. Mit Mühe wurden auch diese Tiere auf die schaukelnde Fähre gebracht.
    Inzwischen hatte der Herr in der Cowboykleidung gezahlt. Bob half ihm auf die Fähre. Der Fährmann selbst und einer der Jungen kamen auf das Schiff; der Kessel wurde angeheizt, die Schaufelräder begannen zu arbeiten. Der zweite Junge löste die Taue und sprang, gleichzeitig mit dem Ponka, auf das Fährschiff, das flott wurde.
    Das Schiff hatte sofort starke Abdrift. Niemand spürte Neigung, viel Worte zu machen. Alle beobachteten den Strom und den Fährmann am Steuer. Am Ufer sammelten sich etliche Leute, um die Überfahrt zu beobachten. Die Bewohner des Stromufers waren gespannt, wie sich das Fährschiff unter den schwierigen Verhältnissen von Hochwasser und Eisgang bewähren würde.
    Als die Pferde und das Maultier sich beruhigt hatten und die Fahrt gut vonstatten zu gehen schien, fragte der Herr mit dem grauen Haar Bobby freundlich: »Wo soll’s hingehen?«
    »Nach Fort Randall!«
    »Aha.« Der Herr wechselte mit seinem indianischen Begleiter einen Blick. »Auf einem kleinen Umweg.«
    Das Fährschiff begann sich zu drehen. Der Strom spielte damit. Das Gesicht des Steuermanns wurde finster. Die Maschine kämpfte das Schiff aus dem Wirbel hinaus. Die Strommitte wurde gewonnen und durchquert. Das Schiff steuerte schon auf das Westufer zu, als es unter Wasser einen heftigen Stoß erhielt. Alles Weitere spielte sich mit einer erschreckenden Schnelligkeit ab.
    Das Steuer funktionierte nicht mehr. Während das Schiff steuerlos abwärts trieb, bekam es Schlagseite. Plötzlich saß es fest und neigte sich. Eisschollen stauten sich sofort, und es bildeten sich neue Wirbel. Der Strom wandte seine unheimliche Gewalt an, um das Hindernis in seinem Lauf zu beseitigen.
    Die beiden jungen Burschen verließen den Kessel und die Maschine, die nicht mehr arbeitete.

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