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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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besser.«
    Cate seufzte leise und wandte sich, um wieder zu ihrem Wagen zurückzustolpern. Leutnant Roach kümmerte sich nicht um sie, denn er hatte den Befehl zum Aufbruch zu geben. Aber einer der Männer, der sich bis dahin ganz zurückgehalten hatte, war dem Mädchen behilflich. Es war ein ziemlich großer, magerer Kerl, und Cate glaubte ihn zu erkennen.
    »Thomas … was wird jetzt aus dem Verwundeten?«
    »Den werden wir schon irgendwo unterstopfen.«
    »Ihr sollt mit Menschen nicht so rücksichtslos umgehen. Bringt ihn in meinen Wagen.«
    »Wenn Ben und Roach es erlauben.«
    »Sie werden sich gewiß freuen, daß ich meine Hilfe anbiete.«
    »Fürsorgliche kleine Miss! Also Moment mal.« Thomas ließ das Mädchen stehen und ging noch einmal zu der Spitzengruppe. Cate vernahm, daß es dort einen kurzen Wortwechsel gab, aber sie verstand Rede und Gegenrede nicht, denn die Männer hatten sich daran gewöhnt, untereinander in einem Grenzeridiom zu sprechen, das aus englischen, französischen und indianischen Brocken gemischt war und das Cate nur enträtseln konnte, wenn sie direkt angesprochen wurde. Schließlich kam ihr Thomas mit einem zweiten Mann nach. Wie Cate vermutete, war der zweite Theo, der Zwillingsbruder des Thomas. Die beiden brachten dem Wunsch des Mädchens entsprechend den unbekannten Verletzten in den Wagen, in den auch Cate wieder einstieg. Dann verabschiedeten sich die Zwillingsbrüder. Sie sollten vorausreiten und Bill beim Kundschafterdienst unterstützen.
    Die lange Wagenreihe setzte sich von neuem in Bewegung. Die Peitschen der Kutscher klatschten auf die Maultierrücken, und die hohen Räder holperten wieder über das Büschelgras. Genau wie vor der Rast, dachte das Mädchen, und doch ganz anders. Erst hatte sie nur geträumt. Jetzt hatte eine wirkliche Gefahr begonnen, sie anzurühren. Sie fühlte sich dabei fremd und unsicher zwischen Menschen, deren rohem Wesen sie nicht mehr vertraute, und sie empfand Todesangst vor den indianischen Feinden. An Schlafen mochte sie nicht denken. Sie tastete nach Stirn und Hand des stummen, schwer verletzten Flüchtlings, der auf das Stroh gebettet lag. Sein Puls ging schwach. Cate konnte nichts weiter für ihn tun und begann, sich mit sich selber zu beschäftigen. Sie suchte ihren ledernen Gürtel mit der Pistolentasche hervor, öffnete die Tasche, zog die Pistole heraus, um die Ladung zu prüfen, und steckte die Waffe dann mit einem eigentümlichen Gefühl wieder zurück. Sie kauerte dicht an der vorderen Öffnung der Plane, wo ihr alter Freund Tom mit dem eisgrauen Bart als Begleitmann neben dem Kutscher saß. Cate preßte den Kopf an seinen steifen Lederärmel und rückte ganz in den Wagen zurück. Toms breiter Rücken erschien ihr als ein willkommener Schutz gegen den Nachtwind und alle möglichen Gefahren. »Tom«, sagte sie wieder hilfesuchend.
    »Habt keine Angst, Miss.«
    »Tom, wenn nur diese Nacht erst vorbei wäre! Es ist die letzte unserer Fahrt. Morgen kommen wir ja zu der Blockhausstation.«
    »Gewiß! Morgen sitzt Ihr schon bei Eurem Vater im Blockhaus, und das hat dicke Wände. Die haben schon manche Flintenkugel verdaut. Bei dem alten Haus war’s wenigstens so.«
    »Wieso bei dem alten Blockhaus? Kennt Ihr denn die Station?«
    »Das wäre zuviel gesagt. Die neue Station kenne ich nur vom Hörensagen. Aber das eine alte Blockhaus, das unser zahnloser Ben, der verdächtige Geselle, gebaut und in dem er dann als Wirt und Händler gehaust hat und wo die Indianer und die Pelzjäger aus und ein gingen, ja, dies alte Haus, das kenne ich.«
    »Erzähl mit doch davon! Bitte, Tom.« Cate schmeichelte. »Seht, wenn ich mir das Blockhaus vorstelle, habe ich weniger Furcht, und wenn Ihr plaudert, vergeht die Zeit für uns beide viel schneller. Ich mag auch nicht mehr schlafen. Ich träume nur wieder schlecht.«
    »Ja, da müssen wir uns wohl ein bißchen miteinander unterhalten. Aber von dem alten Blockhaus … nein, lieber nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil … weil es zu schaurig ist.«
    »Tom, ich will keine Schauergeschichten hören. Mir ist schaurig genug zumute. Aber vielleicht habt Ihr etwas Wahres von Euch selber zu berichten, was zu wissen wert wäre?«
    »Seid Ihr so ernsthaft, kleine Miss? Ich mag Euch gern, ich altes Wrack. Da fahre ich in der Prärie herum für schlechten Lohn und trage meine Haut zu Markte. Kein Hab und Gut besitze ich mehr.« Tom taute auf. »Aber wenn ich Euch nicht erst jetzt gesehen hätte, sondern schon vor zwei

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