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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Offiziers immer bewundert, aber in der Wildnis schien ihr der Ton auf einmal unangebracht. »Ich weiß nicht«, sagte sie nur und versuchte dabei zu erkennen, wer außer Anthony Roach noch bei der Gruppe saß. Der große Mann mit Schlapphut war Ben. Er hatte vorhin den Befehl zum Halten ausgerufen. Seine Stimme war nicht zu verkennen gewesen, denn er hatte keine Zähne mehr, und sein Baß klang dadurch immer wie ein Grunzen. Er war der Anführer der Rauhreiter, die der kleinen Dragonerschar beigegeben waren.
    »Was denkt Ihr, Ben?« fragte ihn das Mädchen.
    »Allerhand denke ich mir, kleines Fräulein.« Die Anrede »kleines Fräulein« hatte sich bei den Reitern während der Fahrt eingebürgert. »Allerhand denke ich mir, aber nichts, was ihr gern hören werdet.«
    Die anderen Männer lachten zu den Worten des Rauhreiters in einer Weise, die Cate als unangenehm empfand.
    »Ich habe am Abend nicht ganz verstanden, warum wir heute die Nacht durchfahren müssen«, sagte das Mädchen in dem Bemühen, die Rauhreiter zu einer sachlichen Auskunft zu zwingen.
    »Die ganze Nacht ja nun nicht, mein Fräulein«, gab Ben zurück. »Gegen Mitternacht machen wir halt, bauen eine Wagenburg, und Ihr könnt Euch ruhig schlafen legen, während unsere Flinten Euch bewachen.«
    »Meint Ihr? Aber mir scheint, Ihr habt doch einen Grund zur besonderen Unruhe, Ben, denn bisher haben wir stets schon mit Einbruch der Dunkelheit haltgemacht.«
    »Ihr könnt einen geschickt ausfragen, kleine Miss! Nun sollt Ihr aber auch eine ungeschminkte Auskunft bekommen. In dem Brief, den Henry auf das Fort gebracht hat, stand für Euren Vater, den Major, zu lesen, daß er uns ein paar Mann entgegenschicken soll. Und wenn wir uns auch verspätet haben, weil die vierspännige Kutsche aus Yankton mit Euch nicht zur rechten Zeit ankam, so müßten doch die Kerle vom Niobrara uns gerade darum längst angetroffen haben. Ich verstehe nicht, wo die bleiben, und alles, was ich nicht verstehen kann, macht mich argwöhnisch. Deshalb treibe ich zur Eile.«
    »Malt den Teufel nicht an die Wand, und macht euch nicht gegenseitig schwachherzig«, schalt der Leutnant. »Wir haben absolut nichts zu befürchten!«
    »Sst! Still!« zischte der Rauhreiter und lauschte.
    Cate erschrak. Sie beobachtete Ben, wie er sich ins Gras warf und am Boden horchte. Der Leutnant und die anderen Männer sagten nichts mehr. Der zahnlose Anführer erhob sich nach einiger Zeit. »Da kommen zwei. Zwei Reiter kommen. Ein Pferd lahmt.«
    Cate vernahm die Worte, aber sie konnte noch gar nichts wahrnehmen, weder mit dem Auge noch mit dem Ohr. Ihr Herz klopfte. Wer kam? Freund oder Feind? Sollte sie bei den Männern an der Spitze der Kolonne bleiben, oder war es besser für sie, sich zu ihrem Wagen und dem getreuen Tom zurückzuziehen? Die Männer schienen das Mädchen ganz vergessen zu haben. Ihre Aufmerksamkeit war nur in das Dunkel des Wiesentales gerichtet, aus dem die erwarteten Ankömmlinge auftauchen mußten. Ben hielt die Schußwaffe bereit. Jetzt konnte auch das Mädchen das Getrappel von Pferdehufen vernehmen, das sich näherte.
    »Wer da?!« rief Ben.
    »Ruhe, Ruhe«, antwortete eine rauhe Stimme. »Ich bin’s nur, euer Herzensbruder, der Hahnenkampf-Bill.«
    Cate sah zwei Reiter wie Schatten herankommen. Als der erste absprang und näher trat, roch sie den aufdringlichen Gestank einer erkalteten Tabakspfeife. Das zweite Pferd lahmte, wie Ben schon gesagt hatte, und sein Reiter hing im Sattel, ohne sich mehr aufrecht halten zu können. Cate, die von Natur hilfsbereit war, glaubte, daß die Männer jetzt sofort zugreifen und diesen zweiten Mann vom Pferd holen müßten. Ben zeigte sich jedoch nicht freundlich und wandte sich nur an Bill. »Du bist das? Gerade haben wir dich zum Kundschaften geschickt, und schon bist du wieder da? Und wen bringst du uns mit?«
    »Einen Verwundeten.«
    »Oh!« rief Cate, ohne selbst zu wissen, daß sie in der Aufregung einen Ton ausgestoßen hatte. Aber Leutnant Roach wurde dadurch wieder auf seine Verlobte aufmerksam.
    »Geh zurück zu deinem Wagen«, ordnete er barsch an. »Das ist hier nichts für eine junge Dame.«
    Das Mädchen hob den Kopf aus einer ihr selbst noch nicht ganz verständlichen Auflehnung heraus und folgte der Anordnung nicht.
    Hahnenkampf-Bill half unterdessen, wie es schien mit einer gewissen Mühe, dem zweiten, noch unbekannten Reiter vom Gaul herunter. Als Bill den Fremden auf die Füße gestellt hatte und losließ, griff der

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