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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Tokei-ihto, der Sohn des Ermordeten. Der Fox kommt aber nicht so leicht mehr in die Gegend um den Platte oder Niobrara. Er hat ein böses Gewissen.«
    »Ihr aber fahrt nun alle wieder dahin, in das verfluchte Haus, wo der Mord geschehen ist?« Cate fühlte einen Frost über die Haut laufen.
    »Hätte Euch lieber nichts davon erzählen sollen, kleine Miss. Das ist nichts für Eure Ohren. Aber’s ist wahr, wir, die wir noch übrig sind, haben uns wieder zusammengefunden.«
    Der junge Kutscher auf dem Bock, der nur selten ein Wort sprach, tat auf einmal den Mund auf. »Das alles hätte ich wissen sollen, ehe wir losfuhren! Dann wäret ihr ohne mich gefahren! Der Pitt mit seiner kurzen Nase war noch der klügste von uns allen. Der hat sich gedrückt und ist auf Randall geblieben!«
    Cate preßte die Arme fest an den Körper. Sie sagte aber nichts weiter, und auch Tom versank wieder in Schweigen. Doch Cates Gedanken arbeiteten. Sie dachte an das Blockhaus, dem die Kolonne zustrebte, und an den Indianer Tokei-ihto, der seinen ermordeten Vater an den weißen Männern rächen wollte.
    Der Kutscher knallte mit der Peitsche so scharf, daß der Peitschenknall wie das Knallen von Schüssen klang. Der junge Mensch war sehr nervös nach dem, was er aus Toms Mund erfahren hatte. »Macht voran!« schrie er dem vor ihm fahrenden Wagen zu. »Damit wir rauskommen aus dieser Teufelsprärie! Dem Harry Tokeiihto fehlen zum Beispiel noch ein paar Skalpe – und die müssen ausgerechnet wir samt der Munition bei uns haben!«
    Der Wind der Frühlingsnacht wehte immer kälter und schärfer. Die Müdigkeit kroch an Mensch und Tier heran und beschwerte die Glieder und die Gedanken. Cate wollten die Augen zufallen, obgleich es noch nicht Mitternacht war. Aber sie scheute sich davor, neben dem röchelnden Verletzten zu liegen, dessen Geschick ihr ebensoviel Furcht einflößte wie Toms Erzählung. Sie nahm sich zusammen, setzte sich auf und stützte sich mit dem Rücken gegen die Bank, auf der Tom und der Kutscher saßen. Mit einem sehr eigentümlichen Gefühl nahm sie die Pistole aus der Ledertasche, untersuchte noch einmal, ob sie zuverlässig geladen war, legte an und versuchte sich vorzustellen, daß sie auf einen Feind schießen müsse. Würde sie im Ernstfall kaltblütig genug sein, richtig zu zielen? Was für ein Gedanke, einen Menschen zu töten! Aber waren Indianer wirklich Menschen? Sie sind nichts als rachsüchtige Feinde, sagte Cate zu sich selbst und wiederholte damit, was der Vater ihr von Kind an immer wieder vorgesprochen hatte. Das Getrappel der Maultiere ließ ihre leisen Worte für Tom nicht verständlich werden. Er mochte aber gehört haben, daß sie irgend etwas murmelte.
    »Legt Euch hin, Miss Cate, und schlaft«, mahnte er.
    Cate schüttelte nur den Kopf und schnallte den Gürtel mit der Pistolentasche um. Sie wurde einer weiteren Antwort enthoben, denn Ben und Roach galoppierten die Wagenreihe entlang, und alle vernahmen Bens aufschreckende Worte: »Wach bleiben! Wach bleiben! Dieser und jener soll euch zwicken, wenn ihr einschlaft! Augen auf! Schneller, schneller.« Die Peitschen knallten und klatschten, die Maultiere fielen in einen unruhigen Galopp.
    Roach ritt an dem Wagen, in dem Cate saß, vorbei, ohne sich umzusehen, aber Ben ließ sein Tier in Trab fallen, beugte sich zu der Öffnung der Plane und erkannte offenbar die Pistole in der Hand des Mädchens.
    »Oeh, Miss, etwa kampfbereit? Dann kann es uns niemals fehlen! Wenn schon die Frauen so mutig sind, da müssen wir rauhen Männer erst recht Ehre einle …«
    Fünf Schüsse krachten hintereinander in kurzer Folge. Die Stimme des Sprechers riß mitten im Wort ab. Cate fuhr in tödlichem Schrecken zusammen.
    Ben verlor die Zügel, warf die Arme in die Luft und fiel rücklings vom Pferd. Das Tier ging durch. Ohne einen Laut von sich zu geben, sank der junge Kutscher neben Tom vom Bock und fiel ins Gras. Das Aufschlagen der Körper wurde von keinem Ohr mehr wahrgenommen, denn ein allgemeiner Lärm brandete jetzt auf, Schüsse aus den Flinten und Büchsen der Rauhreiter, aus den Karabinern der Dragoner krachten zugleich mit den sich schnell folgenden Schüssen aus dem Gewehr eines Feindes, der nie zu verfehlen schien. Cate sah mit an, wie alle Vorreiter an der Spitze der Kolonne fielen. Schrille, fremdartige Kampfschreie, wilde Flüche der Dragoner gellten durcheinander. Die Tiere der Wagen, die fast alle ihren Kutscher verloren hatten, scheuten. Der vorderste Wagen

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