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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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sie sich nicht täuschte, so näherte sich wieder ein Reiter und nicht etwa ein lediges Pferd. Sie hörte genau den ruhigen gleichmäßigen Galopp. Das Mädchen wußte selbst nicht, warum ihre Hoffnung auf einmal stärker war als die Furcht. Vielleicht war es die Gleichmäßigkeit des Tones, der ihre Nerven beruhigte. Wer so ritt, der wurde nicht verfolgt. Wer so ritt, der lenkte sein Tier nach eigenem Willen und Ermessen. In wenigen Sekunden mußte Cate ihren Retter erblicken.
    »Stop!« rief eine Stimme.
    Das Mädchen kannte diese Stimme nicht, doch der Klang verstärkte nur ihr Vertrauen. Sie versuchte, der Weisung zu folgen und das Gespann anzuhalten. Aber die Maultiere spürten die Schwäche und Unsicherheit der Hand am Zügel. Sie bockten, schlugen aus und gingen durch. Es half nichts, daß Cate an den Zügeln riß. Sie vernahm, wie der nachkommende Reiter ihren Wagen schon erreichte. Im nächsten Moment gelangte er neben die Maultiere und damit in den Gesichtskreis des Mädchens. Das Blut gefror ihr in den Adern. Der Reiter war ein Indianer. »Vater!« schrie das Mädchen gellend. Sie ließ die Zügel fahren, riß die Pistole heraus und schoß.
    Der indianische Reiter machte in demselben Augenblick eine schnelle Bewegung, so daß die Kugel an ihm vorbeipfiff. Er hatte die beiden vorderen Maultiere erreicht und griff jetzt in die schleifenden Zügel. Die Tiere und der Wagen kamen sofort zum Stehen. Cate hatte die Pistole noch in der Hand. Der Indianer wendete sein Tier, hielt an und sah auf das Mädchen herunter. Cate wagte es nicht, einen zweiten Schuß abzugeben. Sie begegnete einem kurzen Blick aus den Augen, die fast ganz geschlossen schienen, und ihre Hand mit der Waffe sank herab.
    Obgleich ihr Bewußtsein aussetzen wollte, hätte sie später noch jede Einzelheit des schreckenvollen Augenblicks beschreiben können. Der Himmel war licht geworden, die Sonne schien. Die Maultiere standen mit gesenkten Köpfen im Geschirr; eines begann sogleich zu grasen. Der Indianer hielt auf seinem Pferd neben dem Planwagen. Er ritt einen Falben. Der Hengst war gedrungen und kräftig gebaut, die Mähne dunkel, der Ausdruck der Augen von großer Wildheit. Der Mustang trug keinen Halfter. Nur um den Unterkiefer war der lose hängende lederne Zügel befestigt. Der Reiter hatte sich aufgerichtet. Er war nackt bis auf den Gürtel, die braune Haut glatt und glänzend. Über eine Schulter und quer über die Brust lief ein Patronengurt; er verdeckte nur wenig die tiefen Narben auf der Brust und unterhalb beider Schultern. Die geflochtenen schwarzen Haare fielen bis zum Rücken herab. Ein Stirnband aus Schlangenhaut hielt drei Adlerfedern. Der Griff des Messers war in Form eines Vogelkopfes sorgfältig und kunstvoll geschnitzt.
    Cate scheute sich davor, dem Feind noch einmal ins Gesicht zu sehen. »Erbarmen!« sagte sie leise. Sie hatte den Indianer nach den Beschreibungen der Männer als Harry Tokei-ihto erkannt.
    Der Dakota antwortete nicht. Cate spürte den schnellen und festen Griff, mit dem er ihr die Pistole aus der Hand wand. Ihr war, als ob glühendes Eisen sie berührt habe, so erschreckte sie sich. Sie leistete nicht den geringsten Widerstand und schlug die Hände vor das Gesicht, um nichts mehr zu sehen. Aber als der Wagen sich unter ihr rührte und der Kutschbock, auf dem sie saß, sich schief zu stellen begann, nahm sie unwillkürlich die Hände von den Augen und griff zu, um sich zu halten. Dabei sah sie wieder, was vorging. Der Reiter auf dem Mustang hatte die Zügel der Maultiere gefaßt und wendete den Wagen, was in dem engen Tal nicht ganz leicht war.
    Sobald Wagen und Tiere in der gewünschten Richtung standen, kam der Dakota vom Pferd in den Wagen herein. Er warf den toten Goldsucher aus dem Gefährt hinaus ins Gras, da er ihm als eine völlig unnütze Last erscheinen mußte, und setzte sich dann neben Cate auf den Kutschbock. Mit einem Zuruf ermunterte er das Gespann. Die Maultiere folgten dem neuen Lenker. Er setzte sie in Trab und bald in Galopp, um den Wagen wieder in der Richtung, aus der er gekommen war, zurückzufahren. Der ledige Hengst des Indianers lief neben dem Wagen her.
    Das Mädchen hockte auf dem schmalen Brett zur Seite des Feindes. Sie starrte auf den graubraunen Rücken des Maultieres Bessie und knüllte mit den Händen das Tuch, das sie um den Hals geschlungen hatte. Es war bitter kalt in den ersten Stunden des Frühlingsmorgens, und Cate fror. Aber zugleich lief ihr der Schweiß den Rücken

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