Der junge Häuptling
halten? Zwei reiterlose Tiere flohen vorbei. Sie galoppierten. Fühlten sie sich verfolgt? Als ihr Hufschlag verklungen war, hörte Cate nichts mehr als die Geräusche ihres eigenen Gespanns und von fern her noch immer Schüsse. Die Bodenerhebungen, die das Tal begleiteten, traten sehr eng zusammen; Cate fürchtete diese Anhöhen rechts und links, die dem Feind Versteck bieten konnten. Sie dachte an Tom. Würde wieder ein lautloser Pfeil schwirren, diesmal der Pfeil für sie?
Die Fahrt zog sich hin, ohne daß das Mädchen in seiner Flucht gestört wurde. Lange Zeit glaubte sie schon vergangen. Verbreitete sich nicht ein unbestimmtes Morgenlicht über Himmel und Erde? War sie wirklich schon stundenlang unterwegs? Die Fliehende sehnte den hellen Tag herbei. Ihre überreizte Vorstellungskraft glaubte bereits das Rauschen des Flusses zu hören, an dessen Furt das kleine Fort lag. Sie klatschte mit den Zügeln, um die Tiere zu neuer Eile anzutreiben. Vater, dachte sie, Vater, wenn du wüßtest!
Plötzlich schrak sie auf. Hörte sie nicht wieder Hufschlag? Wer kam? Cate wußte nicht, ob sie die Zügel fahrenlassen und nach der Pistole greifen sollte.
»Hallo!« schrie es hinter dem Wagen.
»Ja!« rief Cate aufjubelnd zurück. Sie glaubte, die Stimme ihres Verlobten erkannt zu haben.
Der Reiter tauchte neben dem Wagen auf, und das Mädchen sah, daß sie sich nicht getäuscht hatte. Es war Leutnant Roach. Er war barhäuptig, sein Haar klebte von Schweiß, und seine Mienen waren verzerrt. Aufgeregt riß er am Zügel.
»Fahr weiter!« rief er dem Mädchen zu. »Wir beide sind vielleicht die einzigen, die noch leben. Ich reite vor zur Blockhausstation und komme dir mit Verstärkung entgegen.«
»Nimm mich mit!«
»Bist du wahnsinnig! Mein Pferd trägt nicht zwei. Ich habe den Teufel hinter mir!«
Der Leutnant drückte seinem Tier die Sporen in die Weichen, daß es stieg und nach einem scheuen Sprung wieder vorwärts raste.
»Hilfe!« schrie Cate noch einmal mit ganzer Kraft. Aber der Reiter sah sich nicht mehr um.
Fassungslos schaute das Mädchen ihm nach, bis er hinter der nächsten Biegung des Prärietales verschwunden war. Bald verklangen auch die Hufschlage seines Pferdes. Das Mädchen biß die Zähne zusammen. Sie begann wieder die Maultiere anzutreiben, so gut sie vermochte. Die Männer bei der Kolonne waren niedergemacht worden, wenn sie den Leutnant recht verstanden hatte. Und hinter Anthony Roach und darum auch hinter ihr selbst – war der Teufel her. Minuten verstrichen. Aber diese Minuten hatten eine zeitlose Angst in sich.
Im Osten war die Morgendämmerung heraufgezogen. Im Westen verblaßten die letzten Sterne. Unwirtlich, häßlich dehnte sich die Steppe unter dem heller werdenden Himmel. Altes braunes Wintergras, halb abgetauter, in der nächtlichen Kälte wieder gefrorener Schnee, weiter war nichts zu sehen. Cate begriff, daß sie allein war, ganz allein und verlassen in der einsamen fremden Prärie. Sie empfand nichts als Angst. Die Maultiere wurden störrisch. Bessi, die brave Bessi, wollte nicht mehr laufen. »Bessi, habe ich dir nicht immer von meinem Brot gegeben? Bessi, lauf doch bitte, der Teufel ist hinter uns her!« Cate merkte, daß sie laut vor sich hin gesprochen hatte, und erschrak vor ihrer eigenen, geborstenen Stimme.
Das Steppenland nahm kein Ende. Sand und Gras, Gras und Sand, die Nacht durch und am Morgen. Etwas Unheimliches war an dem öden Land ohne Baum und Strauch, ohne Mensch und Tier. Nur wieder ein menschliches Wort hören! Cate fiel der Goldsucher ein, der hinten im Wagen lag. Aber auch er blieb stumm und rührte sich nicht. Sie schaute sich einmal nach ihm um. Er schien tot zu sein. Sein Gesicht war fahl, die Augen waren gebrochen. Cate war allein in der Wildnis, und sie war müde, ihre Finger waren kalt und wurden steif, und ihr Kleid war naß vom Tau. Sie schauerte zusammen.
Wie schwarze Flecke flimmerten ihr die gespenstischen Gestalten der Reiter vor Augen, die nachts aufgetaucht waren. Sie wußte, daß es Indianer gewesen waren.
»Bessi, du bist das Handpferd, lauf doch, dann laufen die anderen auch!« Aber zu mehr als einem Trab brachte sie das Gespann nicht mehr. Cate lauschte. Sie meinte, zum drittenmal Hufschläge zu vernehmen, die ihrem Wagen von hinten her näher kamen. Wenn ihr Herz nur hätte ruhiger sein mögen und nicht das Blut mit jagendem Puls hinaufhämmern würde bis zu den Schläfen! Sie wollte sich zwingen, kaltblütig zu sein und zu horchen.
Wenn
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