Der junge Häuptling
zu sprechen, um sich selbst Mut und dem anderen Angst einzuflößen. »Harry«, fauchte er den Indianer an. »Du hinterlistiger, feiger Hund! Hast dich hinter dem Mädel versteckt! Geh doch gleich zu deiner Großmutter nach Haus! Scher dich zum Teufel, ehe ich ernst mache!«
Der Indianer gab keine Antwort.
»Ist es dir immer noch leid um deinen Alten?« höhnte Bill. »Ich kann nicht dafür, daß Top zu gerne einen Tropfen Brandy trank und dem Red Fox vor die Klinge geriet. Das mußt du mit einem anderen ausmachen. Also steck dein Käsemesser ein und zieh ab, falls dir dein Leben lieb ist.«
Der Indianer schaute schweigend auf den Weißen. Seine Züge blieben ganz ruhig.
»Betrachte doch deine Ärmchen, du Jammerjunge!« Mit wachsendem Selbstbewußtsein hörte Bill sich selbst prahlen. »Mit deinen zarten Armen willst du etwas gegen Bloody-Bill, den Hahnenkämpfer, ausrichten? Wenn wir nur erst aneinander sind, mache ich mit dir, was ich will. Ich habe sechsundzwanzig Hahnenkämpfe siegreich bestanden und den siebenundzwanzigsten hab ich auch überlebt. Also mach dich dünn! Das ist wahrhaftig ein guter Rat, den ich dir gebe!«
Bill hatte mit seinen Beschimpfungen und der wachsenden Selbstsicherheit, mit der er sie aussprach, einen Erfolg, an dessen Möglichkeit er in diesem Augenblick nicht gedacht hatte. Cate hatte sich auf dem schief stehenden Kutschbock eingerichtet. Das Maultier Bessie stand wieder ruhig, seitdem nicht mehr geschossen wurde, und das Mädchen fand wiederso weit zu sich selbst, daß sie einen Gegenstand halten konnte, ohne zu zittern. Sie holte sich ihre eigene Pistole, die im Stroh im Wagen lag. Bei dem ersten Zusammentreffen mit dem Indianer hatte sie nur einen Schuß abgegeben. Fünf Schüsse mußte sie noch haben. Cate hielt sich selbst für mitschuldig daran, daß die List des Indianers gelungen war, da sie ihn tot geglaubt hatte, und sie wollte Bill helfen, dessen Schimpfreden ihr mißfielen und dessen Selbstsicherheit sie doch zugleich ermutigte.
Das Mädchen schlug auf den Dakota an. Der Indianer stand seinem Gegner regungslos wie ein Bronzebild gegenüber und bot sich auf einige Meter als ein nicht zu verfehlendes Ziel dar. Das Mädchen zog ab. Der Hahn knackte, aber es ging kein Schuß los. Die Pistole war entladen worden. Cate ließ die Hand sinken.
»Verfluchte Schweinerei!« schrie Bill, der den Vorgang beobachtete.
Cate suchte nach dem Revolver des Dakota, den sie mitgenommen hatte. Als sie ihn zur Hand nahm, öffnete der Indianer eben ein wenig die Lippen. »Das Mädchenkann dir nicht helfen!« sagte er leise, aber vernehmlich zu seinem Gegner. »Also kämpfe! Ich habe schon zuviel Zeit mit dir vertan.«
Cate schoß, aber in demselben Augenblick hatte der Indianer Bill auch wieder angegriffen. Das Mädchen wußte nicht, ob sie überhaupt und wen sie etwa getroffen hatte. Cate sah, wie Bill und der Dakota sich gegenseitig die Hand mit dem Messer abfingen, wie sie beide sich packten, stürzten und zweimal überschlugen. Dann wälzten sie sich im Gras. Noch schien keiner zum Stich gekommen zu sein. Das Mädchen schloß die Augen. Sie mochte nichts mehr sehen.
Die leisen Geräusche, die das Ringen der Männer verursachte, das Keuchen und Knirschen, verstummten bald. Langsam öffnete Cate die Augen. Sie erblickte Bill und den Indianer, die auseinandergekommen waren und sich wie zuvor mit dem Messer lauernd gegenüberstanden. Der Dakota blutete aus leichten Verletzungen. Bill hatte den Hut verloren, seine Halstuchzipfel standen im Nacken. Sein Haar klebte von Schweiß.
»Fahr zur Hölle!« keuchte er den Dakota an. »Was treibt ihr Diebsgesindel euch hier herum? Schmutzige Ratten seid ihr, stinkende, betrunkene. Paß auf, ich werde dir Beine machen, damit du etwas schneller in deine ewigen Jagdgründe gelangst!«
Cate hörte zu, aber sie wagte nicht mehr, auf den Dakota zu schießen. »Alle deine Worte sind unnütz und darum eines Mannes nicht würdig.« Der Indianer schien nur gesprochen zu haben, um Bloody-Bill abzulenken, denn kaum war die letzte Silbe verklungen, da hatte der Indianer seinen Gegner mit einem geschickten Spiel der Beine umgerissen, und Cate krümmte sich vor Entsetzen, denn sie hatte gesehen, daß der Dakota mit seinem Dolch zum Stich kam. Es wurde abermals ganz still. Das Mädchen brachte es nicht mehr über sich, nach dem Kampfplatz zu schauen. Sie horchte aber, und es schien ihr, daß bei den Maultieren irgend etwas vorging. Gleich darauf bewegte sich
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