Der junge Häuptling
Wagen und auch ringsum still war, horchte Cate auf die Verwünschungen. Sie erkannte am Tonfall den Hahnenkampf-Bill, und sie vernahm zwischen vielem, was unverstanden an ihrem Ohr vorbeirauschte, deutlich nur einige wenige Worte: »… rotes Schwein … dir noch’n paar aufs Fell brennen, damit du endlich und endgültig krepierst.«
Bill schoß weiter, traf aber von seinem Platz aus nur das tote Maultier, hinter und halb unter dem der Körper des Indianers lag. Das zweite Maultier, Bessie, ängstigte sich vor den Schüssen und machte neue verzweifelte Anstrengungen, aufzukommen. Es trat gegen den Körper des gefallenen Indianers, kam wieder auf die Beine und zerrte nach vorn. Als der Wagen sich nicht bewegte, drängte es rückwärts. Das leichte Gefährt, das schon schief stand und in dem die Munitionskisten nach der Seite gerutscht waren, neigte sich weiter.
»Bill! Nicht schießen!« rief Cate. Sie hatte ihren langen Rock gerafft und suchte aus dem ruckenden, kippenden Wagen zu springen, so wie es vorher der Indianer getan hatte. Sie trat auf das tote Maultier, verlor das Gleichgewicht und fiel hin.
»Verdammtes Weibsstück!« schrie Bill von oben. »Weg mit dir!«
Cate raffte sich hastig auf. Sie sah dabei den toten Dakota ganz nahe, sah den Griff des Revolvers, der in seinem Gürtel steckte, und bemächtigte sich dieser Waffe.
»Bravo!« brüllte Bill. »Gut so! Knall ihm noch ein paar vor den Latz!«
Das Mädchen betrachtete die fremde Waffe. Die Hände zitterten ihr. Sie schaute wieder auf den Indianer. Die Augen des Dakota standen offen, aber er sah das Mädchen nicht an. Sein Blick wirkte starr, glasig, gebrochen.
»Er ist tot!« rief Cate zu Bill hinauf und ließ die Waffe sinken. Sie scheute sich, auf einen Toten zu schießen. Es war der zweite Tote, den sie heute sah; der erste war der Goldsucher gewesen, und es hatte sie geschüttelt, als der Dakota die Leiche dieses Menschen kurzerhand auf die Wiese geworfen hatte. Jetzt war ihr selbst zumute, als ob sie eine Leiche schänden würde, wenn sie darauf schoß wie auf eine Zielscheibe, und die Hand zitterte ihr noch immer. Sie stellte sich mit dem Gesicht zu der Anhöhe, auf der Bill versteckt lag, mit dem Rücken gegen das tote Maultier und den gefallenen Indianer.
»Kannst du nicht schießen!« schalt Bill. Er schien sehr aufgeregt und aufgebracht. Aber dann mochte er überlegen, daß Cate nicht mehr dazu imstande war, den fremden Revolver mit der nötigen Ruhe zu handhaben, daß andererseits ein Dakota, der noch am Leben gewesen wäre, sich nicht von einem solchen Mädchen die Schußwaffe hätte abnehmen lassen. Bill riß selbst seine Pistole heraus, nahm sie zur Hand und sprang in großen Sätzen den Hang hinunter. Er war schwer und massig, und als er ankam, wich Cate ihm so rasch aus, wie sie einem heranstürmenden Stier ausgewichen wäre.
Bill schoß im Laufen; zweimal traf er noch das tote Maultier, während Bessie zerrte und ausschlug. Dann hatte er den Indianer im Schußfeld.
In dem gleichen Augenblick sprang der Dakota auf. Bills Pistole knatterte noch, aber der Indianer wurde nur leicht verletzt. Er hatte mit einem Satz seinen Gegner erreicht. Der letzte Schuß löste sich aus Bills Pistole und ging in die Luft. Bill ließ die Pistole fallen und riß sein Messer heraus. Einem Messerstich des Dakota konnte er eben noch ausweichen, indem er zur Seite sprang.
Die beiden Männer standen sich gegenüber. Cate kletterte auf den Kutschbock zurück, um sich samt dem Revolver des Indianers in Sicherheit zu bringen. Halb erstickt vor Aufregung, blickte sie auf die beiden Gegner, deren Kampf jetzt ihr Schicksal entscheiden mußte.
Der Dakota und Hahnenkampf-Bill standen sich noch immer gegenüber und maßen sich stumm. Sie kannten sich und wußten, daß jeder gegenüber dem anderen einen harten Stand haben würde. Bill hatte die Beine gespreizt, um sich in jeder Richtung sicher bewegen zu können. Die hohen Schaftstiefel, der breitkrempige Hut, das dicke Lederwams verstärkten den Eindruck des Massigen und Schweren. Um den Hals hatte er ein Tuch geschlungen, dessen rote Zipfel hervorstanden. Der Dakota war ohne Kleidung schutzloser, aber auch glatter und schwerer zu fassen; er war jünger und trotz seiner tiefen Narben geschmeidiger als sein Gegner. Die Augen des Indianers blieben auf den Feind gerichtet. Auch der Dakota wollte den Bruchteil der Sekunde nicht versäumen, in dem der Kampf weiterging. In der Faust hielt er den Dolch.
Bill begann
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