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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Vaterliebe und militärischem Mißfallen.
    »Ja – Vater.« Cate wäre ihrem Vater am liebsten um den Hals gefallen, aber der Major wirkte steif, ungeduldig und unwillig. Er sagte, was dem Mädchen in diesem Augenblick ganz unwichtig erschien: »Wieso bist du hierhergekommen?«
    Cate schluckte und antwortete dann, ebenfalls förmlich und ohne ihre Empfindungen zu zeigen. »Vater! Viele Offiziersdamen pflegen mit ihren Gatten oder Vätern auf den Forts zu wohnen. Du hattest mir einmal geschrieben, daß auch ich zu dir kommen dürfte.«
    »Aber nicht im jetzigen Augenblick! Kind, was machst du für Dummheiten! Bist du mit der Munitionskolonne gefahren?«
    »Ja.«
    »Cate! Wie soll das jetzt werden! Komm!« Smith bot seiner Tochter den Arm, führte sie in das Nebenzimmer und schloß hinter sich die Zwischentür.
    Das Mädchen setzte sich auf das Feldbett, das in dem kleinen Raum die einzige Sitzgelegenheit war. Der Major ging vor seiner Tochter auf und ab. »Cate! Was fällt dir nur ein! Wie konnte Tante Betty das erlauben! Wer bei der Kolonne wollte das verantworten? Hat man auf Randall denn noch immer keine Ahnung …« Der Major stockte mitten im Schritt. »Anthony Roach, dein Verlobter, ist hier. Er hat mir kein Wort davon gesagt, daß du mit der Kolonne gefahren bist. Wußte er … er mußte doch wissen …«
    Cate war blaß gewesen. Jetzt wurde sie weiß wie Kalk. »Er hatte mich gebeten mitzukommen. Vater, hat er dir wirklich nichts von mir gesagt?«
    Der Major zuckte zusammen. »Wir sprechen darüber später, Cate. Leg dich jetzt hin und halte mich nicht länger auf. Ich muß mich dem Dienst widmen.«
    Der Major ging durch die Zwischentür wieder in sein Arbeitszimmer.
    Cate blieb allein. Sie fühlte sich durch das Verhalten des Vaters erschreckt, durch das Schweigen von Roach tief erbittert. Um von sich selbst loszukommen, versuchte sie, auf die Vorgänge im Nebenzimmer zu lauschen. Der Major ließ sich offenbar von Thomas und Theo über die nächtlichen Ereignisse genauer und wahrheitsgetreuer berichten, als Roach es getan hatte. Thomas führte das Wort, und es gelang dem Major durchaus nicht, den Rinderhirten zu einer knappen Ausdrucksweise zubewegen. Thomas erzählte des langen und breiten, als ob er sich am Lagerfeuer oder auf einer Handelsstation befände, mit einer anschaulichen Ausführlichkeit, die ihm selbst viel Freude machte, dem Major aber sicherlich einige Schweißtropfen zum Haaransatz trieb. Wie Cate ihren Vater kannte, überwand sich dieser nur darum, Thomas weitersprechen zu lassen, weil alle Schilderungen und Bemerkungen des einfachen Mannes die Farbe kerniger, wenn auch unangenehmer Wahrheiten trugen.
    Cate überwältigte eine körperliche und seelische Erschöpfung, noch ehe Thomas mit seinem Bericht zu Ende kam. Sie sank auf das Feldbett, und ohne wirklich zu schlafen, vergaß sie doch ihre Umgebung. Als sie wieder zu sich kam, wunderte sie sich darüber, wo sie sich befand. Gleich darauf standen alle Ereignisse und Zusammenhänge aber auch schon lebendig vor ihrem Gedächtnis. Sie lauschte wieder.
    Im Augenblick war alles still. Auch aus dem Nebenraum, dem Arbeitszimmer des Vaters, waren keinerlei Geräusche mehr zu hören. Cate erhob sich. Inder Kammer mit dem Feldbett fühlte sie sich allzu allein und verlassen. Sie ging durch die Zwischentür in den Arbeitsraum zurück. Diesen fand sie jedoch so leer, wie die Stille schon hatte vermuten lassen. Das Mädchen setzte sich an den großen Eichentisch und schaute durch das Fenster hinaus. Im Hof begann wieder ein lebhaftes Treiben. Alarmsignale erschallten. Dragoner und Rauhreiter formierten sich.
    Cate stand auf und trat zum Fenster. Sie beobachtete einen Dragoner, der des Vaters Fuchsstute bereithielt. Sie sah den jungen Blondschöpfigen mit Rauhreitern sprechen, die zum Ausreiten fertig waren. Auf einmal erblickte sie auch Leutnant Roach. Sein Haar war wieder glatt gekämmt, seine Uniform in den rechten Sitz gezogen. Auch er erteilte Befehle, seine Stimme schnarrte. Er schien einen sich bildenden Zug der Dragoner anführen zu sollen. Das Mädchen verstand, was vorging. Ihr Vater wollte, wie schon vor Cates Ankunft, mit allen verfügbaren Kräften aufbrechen, um die Munitionsräuber abzufangen, ehe sie mit der Beute nach Westen in ihre Jagdgründe durchbrachen.
    Das Mädchen wurde aus ihren Beobachtungen und Gedanken herausgerissen. Es klopfte. Cate bat herein, und Theo erschien. Er stellte mit freundlich verlegenem Lächeln einen Teller

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