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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Reiter Thomas und Theo sein.
    Der Rabe sagte nichts. Er wartete darauf, wie sein Häuptling die Lage beurteilen und sich entscheiden würde. Dieser aber forderte nach seiner Gewohnheit erst den Krieger auf zu sprechen: »Wie denkst du? Was wird geschehen, und was werden wir tun?«
    »Antilopensohn hat einen Fehler gemacht. Er sollte Roach, diesen schwanzeinziehenden Kojoten, töten. Er hat ihn nicht getötet. Wir Rabenbrüder haben auch einen schweren Fehler gemacht. Wir sollten Thomas und Theo abfangen. Wir haben sie nicht abgefangen. Sie reiten noch umher und werden sich um das Mädchen dort auf dem Hügel kümmern. Es wird dadurch leicht für uns sein, Thomas, Theo und das Mädchen abzuschießen. Aber Roach ist auf das Fort gelangt und muß dem Langmesser Smith berichtet haben, was geschehen ist. Ich kann nicht verstehen, warum Smith und seine Männer sich nicht rühren, und ich kann auch nicht verstehen, warum der Kundschafter Tobias nicht von neuem gegen uns ausgeschickt wird. Er ist in das Fort hineingeritten und nicht wieder herausgekommen.«
    »Roach wird sehr wirr berichtet haben, um seine Feigheit nicht eingestehen zu müssen«, urteilte der Häuptling. »Wahrscheinlich ahnt Smith nicht, daß wir nur vierundzwanzig Krieger sind; nach Roachs Worten wird er sich vor zweihundert oder dreihundert Dakota fürchten. Darum kommt er nicht schnell hervor. Aber endlich wird er sich doch hervorwagen müssen, um uns anzugreifen und zu versuchen, uns die Beute wieder abzujagen. Was schlägst du mir vor, Rabe?«
    »Reite du zu unseren Männern, Häuptling. Schicke uns dafür Antilopensohn hierher. Er und wir beide Rabenbrüder haben Fehler gemacht und sollten unsere Fehler selbst wiedergutmachen. Wir werden Thomas und Theo und das Mädchen töten und mit Ihasapa zusammen das Fort umschwärmen, um Smith und seine Männer mit unseren Pfeilen zu belästigen und aufzuhalten.«
    »Ich denke anders. Du und dein Bruder, ihr beide seid schwerer verwundet als ich. Ihr reitet zu unseren Kriegern zurück, ehe eure Kräfte allzusehr nachlassen. Smith und das Fort übernehme ich allein.«
    »Auf dem Fort sind fünfzig bis sechzig Langmesser, und sie alle besitzen Flinten und Büchsen!«
    »Ich aber bin ein Dakota!«
    Als der Häuptling diese Worte sprach, dachte er an seinen Vater, der einst eine gleich stolze Antwort gegeben hatte.
    »Du befiehlst uns, nach deinen Worten zu handeln?«
    »Ich befehle es.«
    Der Rabe widersprach nicht weiter. Obgleich es ihm schwerfiel, seinen Häuptling allein zu lassen, glitt er stillschweigend und schnell den Hügelhang hinab und unterrichtete seinen jüngeren Bruder. Die Rabenbrüder sprangen auf ihre Mustangs, unzufrieden mit sich selbst und voll Spannung, was der Häuptling unternehmen würde, um den Zug seiner Krieger mit der erbeuteten Munition ohne Verluste zu sichern.
    Der Falbhengst blieb ungefesselt zurück. Es war allen bekannt, daß er seinem Herrn nie entlief.
    Als die Rabenbrüder sich dem Befehl ihres Häuptlings gemäß auf den Weg zu dem Trupp der Dakota machten, stand Cate noch auf dem Hügel weiter südlich. Die Kehle war ihr vom vergeblichen Rufen trocken geworden. Ihr Schreien klang schwach und heiser; sie wirkte müde. Die Knie zitterten ihr. Ihre Angst war viel zu groß, als daß sie noch geweint hätte. Ihre Augen waren trocken, und sie starrte über das kahle Land in der Richtung des Niobrara. Irgendwo mußte das Fort sein, das Fort, der Vater …
    Da! Erklang nicht ein Geräusch? War das nicht eine menschliche Stimme? Oder träumte sie schon fiebernd im Wahn? Nein! Der Traum war Wahrheit! Zwei Rauhreiter tauchten auf und strebten in größter Eile zu dem Mädchen hin. Sie ritten Scheckenpferde von fast gleicher Zeichnung, sie waren sehr ähnlich gekleidet und hatten die gleichen charakteristischen Nasen.
    Cate winkte mit frischem Mut. »Thomas! Theo!« schrie sie, heiser noch, aber aufjauchzend.
    »Fräulein Cate, Fräulein Cate! Aber Fräulein Cate, was macht Ihr denn hier so allein!« Die Zwillinge hielten zu Pferde vor dem Mädchen.
    Cate seufzte tief auf und erzählte hastig.
    Thomas und Theo fluchten beim Zuhören nach der Weise der Rinderhirten. »So, so«, sprach Theo, als Cate zu Ende berichtet hatte. »So … so, der verdammte Häuptling selbst hat Euch ein Stück auf seinem Mustang mitgenommen! Er wollte wohl ein Lösegeld verlangen und Euren Vater beim Verhandeln darüber lange genug aufhalten. Dann aber …«
    »Los, los, zur Station!« Thomas war nervös.

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