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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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daß man ihm auch selbst Wort hielt. So wendete er jetzt das Pferd und ritt dem Indianer voran auf die Station zu. Der Major wartete sicher schon mit Ungeduld. Adams durchquerte mit seinem Begleiter wieder die Furt. Das Tor stand offen. Als die beiden eingeritten waren, wußte der Torwächter nicht recht, ob er das Tor offenhalten oder schließen solle. Um beiden Möglichkeiten gerecht zu werden, drückte er die Torflügel halb zu.
    Adams sprang ab, um den Kommandanten zuunterrichten. Smith war abgesessen und stand bei seiner Goldfuchsstute. Er unterbrach den jungen Rauhreiter schon nach dem ersten Wort. »Adams, was hast du dich so lange mit diesem Roten aufgehalten? Was ein Befehl ist, wirst du wohl nie lernen. Du bist ein Pflugknecht, aber kein Soldat. Jetzt läßt du einen Dakota mit unverbundenen Augen hier herein? Soll er unsere Station ausspionieren?«
    Der Rauhreiter wurde nicht verlegen. »Major! Was der Dakota hier auf dem Hof sehen kann, das weiß er schon seit zwei Jahren. Deswegen brauchen wir ihm die Augen nicht zu verbinden. Wollt Ihr mit ihm sprechen oder soll ich ihn wieder wegbringen?«
    Leutnant Roach trat zu Smith und Adams heran. »Wer ist denn dieser rote Hund?« fragte er flüsternd. »Einen großartigen Gaul hat der Kerl! Mir ist, als ob ich den schon mal gesehen hätte! Adams muß doch wissen, wen er uns hier hereinbringt!«
    Während gesprochen wurde, hielt der Indianer zu Pferde wie eine Statue. Um ihn herum blieb ein freier Kreis. Rings standen die neugierigen Mannschaften.
    Adams empfand eine tiefe Abneigung gegen Leutnant Roach, obgleich er ihn an diesem Tag zum erstenmal gesehen hatte. »Jawohl«, antwortete er respektlos und unfreundlich. »Ich weiß, wen ich in die Station hereingebracht habe.«
    »Nun …?«
    »Den Häuptling der Bärenbande.«
    Smith und Roach fuhren jäh auf, ebenso die Mannschaften ringsum. Sie hatten den feindlichen Anführer in ihrer Mitte!
    »Adams!« rief Smith. »Das ist der rote Bandit, der schon so viele unserer Männer ermordet und heute nacht unsere Kolonne überfallen hat!«
    »Eben der, Major. Er will Euch sprechen. Ich denke, er will mit uns verhandeln.«
    »Adams, eine solche eigenmächtige Dummheit hätte ich von dir doch nicht erwartet! Was heißt verhandeln – der Schuft hat mehr als einen Meuchelmord begangen, er hat unsere Munition gestohlen und unsere Mannschaften niedergemacht …« Smith wandte sich dem Indianer zu. »Dakota! Du hast unsere Kolonne überfallen und unsere Offiziere und Mannschaften niedergemetzelt. In unseren Augen bist du ein nichtswürdiger Räuber und Mörder! Jetzt reitest du hier ein mit unverbundenen Augen? Du bist kein Krieger, du bist ein Spion! Nach unseren Gesetzen … werden Spione gehängt!«
    Adams schaute finster auf den Major. Was sollte das? Der Major verstand sich schlecht auf einen indianischen Charakter und indianische Auffassungen. Für einen Dakota war ein Manneswort ein Manneswort und keine Spielerei. Hängen galt bei den Indianern als eine furchtbare Schande. Dem jungen Kriegshäuptling gegenüber überhaupt davon zu sprechen, war eine Beleidigung, die ihn auf das äußerste reizen mußte. Aus den Augen des Dakota brach ein gefährliches Feuer. »Major Smith! Ich bin offen hierhergeritten. Einer Eurer Männer hat mich hereingeleitet. Ich verlasse dieses Fort so frei, wie ich gekommen bin, oder Ihr seid ein Schurke und kein Mann!«
    Smith stieg die Zornesröte in die Schläfen, und seine Adern schwollen an. »Roter Hund! Du bist nicht wert, daß die Ehrbegriffe eines Offiziers auf dich angewendet werden! Aber ich handle nicht danach, was ich dir, sondern was ich mir selbst schuldig bin. Wenn Adams dir freies Geleit zugesagt hat … Adams! Hast du das getan?«
    »Ja, selbstverständlich«, antwortete der Bursche trotzig.
    »So gehst du auch frei, Rothaut. Bei mir gibt es nicht Lug und Trug. Geh … Aber in dem Augenblick, in dem du deinen Fuß vor die Schwelle des Tores setzt, bist du vogelfrei.«
    Der Häuptling schaute ringsum, als ob er etwas erwäge. »Gut«, sprach er dann, »es sei. Ich werde diesen Platz frei verlassen, so frei, wie ich gekommen bin. In dem Augenblick, in dem ich meinen Fuß vor Eure Schwelle setze, mögt Ihr dann tun, was Euch beliebt, und versuchen, mich zu töten. Ich habe gesprochen, hau!«
    Die Umstehenden drückten ihre Zustimmung zu der Entscheidung des Kommandanten und des Häuptlings aus. Sie war in ihren Augen das Todesurteil für den Indianer. Er hatte nur die Kugel statt

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