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Der Junge im Mond: Wie mein Sohn mir half, die Welt zu verstehen (German Edition)

Der Junge im Mond: Wie mein Sohn mir half, die Welt zu verstehen (German Edition)

Titel: Der Junge im Mond: Wie mein Sohn mir half, die Welt zu verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Brown
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Zusammengehörigkeit und Kameradschaft. In meiner Vorstellung ist es der Rest von uns, sind es die Normalen, die in ihre Gesellschaft »integriert« werden, die sich ihrem Tempo und ihrem Ort anpassen müssen. Ich kann wieder weg, kann wieder zurückkehren in mein fordernderes, anstrengenderes und auch interessanteres Leben, aber ich kann dann auch wieder mit Walker leben, so wie Walker lebt – langsam und ohne allzu viele Pläne, außer schlicht und einfach er selbst zu sein.
    Denn in meiner Vorstellung wollen ganz viele Menschen Walkers Gemeinschaft besuchen und jeweils eine ganze Weile dort leben. Komponisten, Schriftsteller, Künstler, Studenten, MBA -Typen, die ihre Doktorarbeit über Unternehmensführung schreiben, Forscher, Vorstandsmitglieder, die eine Auszeit nehmen – auch wir können das Privileg genießen, ein paar Wochen oder Monate lang in Walkers Dorf zu leben, in unseren hübschen Zimmern, wo wir uns ermuntert fühlen, unserer Arbeit, unserer Kunst oder unseren Studien nachzugehen. Unsere einzige Verpflichtung besteht darin, uns in die Welt der Behinderten zu integrieren, indem wir das Mittag- und Abendessen zusammen mit ihnen einnehmen und einmal in der Woche einem der Bewohner helfen, ein Bad zu nehmen. Den Rest der Zeit steht es uns frei, zu denken, zu schreiben, zu malen, zu komponieren, zu analysieren und zu kalkulieren. Aber da werden die Behinderten schon ihr Werk getan, ihre Ziele erreicht und die Art, wie wir die Welt sehen, verändert haben. Wir werden viel mehr davon profitiert haben, als sie von uns, aber das wird sie nicht stören. Walker wird seinen Beitrag dazu geleistet haben, einfach nur dadurch, dass er da ist. Wie schon gesagt, eine Vision.
    Nach Walkers Gentests vergingen Monate, bevor ich aufhörte, die Genetik abzulehnen. Ich hatte nichts gegen Kate Rauen – dass sie die Gene, die man mit CFC in Verbindung bringen kann, lokalisiert hat, macht es leichter, das Syndrom zu diagnostizieren, was bedeutet, dass Therapien noch früher greifen können. Ich ärgerte mich nicht über die Tatsache, dass eine genetische Heilung der Symptome von CFC noch Generationen entfernt ist oder auch, dass Dr. Rauen die einzige Medizinerin war, die ich kennen gelernt hatte, die glaubte, das CFC -Gen würde eine Rolle bei der Heilung von Krebs spielen.
    Was mich ärgerte, war die Vorstellung, dass das Leben meines Sohnes auf einen Schreibfehler in einer drei Milliarden langen Kette von Lettern reduziert wurde, auf einen winzigen Nukleotid. Der Absolutismus der Genetik stieß mich ab. Schließlich lernte ich prominente Genetiker kennen, denen es genauso ging. Craig Venter, der Biochemiker und Unternehmer, der mithalf, das Human Genome Project zu starten, und einer der wenigen Menschen, deren Genom vollständig entschlüsselt worden ist, sagt genau das in seiner Biographie »Entschlüsselt: Mein Genom, mein Leben«. »Gene«, schreibt er, »haben uns nicht erschaffen, als Körper und Geist.«
    Denis Noble, ein gefeierter Genforscher an der University of Oxford und Autor von »The Music of Life: Biology Beyond the Genome«, geht sogar noch weiter. Es sei das Eine, die experimentelle Sucharbeit zu leisten, sagt Noble, um ein Gen zu finden, das mit einer Mutation zu tun hat, wie Rauen und ihre Mitarbeiter es getan hatten. »Wenn die Menschen darüber hinaus aus dieser Arbeit aber ableiten, dass man nun die Funktion dieses Gens genau bestimmen kann, dann geht das einen Schritt zu weit.« Die Struktur des menschlichen Genoms hat sich als viel schlichter herausgestellt als erwartet. Aber die genetische Physiologie der Menschen – wie die Gene nun tatsächlich funktionieren – ist ausnehmend komplizierter, als es sich irgendjemand hätte vorstellen können.
    Und was noch wichtiger ist, Noble hält fest, dass es erniedrigend sei, Menschen nur als Produkte ihrer Gene, von den Nukleotiden an aufwärts, zu verstehen. »Wenn man einen Menschen nur noch über seine Gene definiert, sind die sozialen und ethischen Implikationen immens«, erzählte er mir eines Morgens am Telefon in Oxford. Er hatte einen fantastischen Akzent, diesen im ganzen Kosmos verständlichen englischen Tonfall. »Mir scheint, ein Haupteffekt des fundamentalen Appellcharakters der Genetik ist der, den menschlichen Körper auf eine Weise zu enträtseln, die ihn enthumanisiert.«
    Was den Geist anbelangte – dieses seltsame Irrlicht, nach dem ich bei meinem Jungen gesucht habe, mit nur sporadischem Erfolg –, war Dr. Noble der Meinung, dass er

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