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Der Junge mit dem Herz aus Holz

Der Junge mit dem Herz aus Holz

Titel: Der Junge mit dem Herz aus Holz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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konnte ich in ein paar Sekunden dort sein –, aber irgendetwas sagte mir, dass Poppa nie und nimmer ins Krankenhaus gegangen wäre. Schließlich hatte er ja auch diesen Laden mit den eigenen Händen gebaut. Alles selbst gemacht, von Grund auf, nicht nur die unförmigen Backsteine und der falsch verwendete Mörtel, der das ganze Gebäude zusammenhielt, sondern auch der gesamte Inhalt, jedes einzelne Spielzeug auf den Tischen und in den Regalen. Poppa würde niemals von hier weggehen, da war ich mir sicher.
    In dem Moment hörte ich ein knarrendes Geräusch hinter der Theke und sah, dass die Tür sich in Position gebracht hatte und ein Stückchen offen stand.
    »Henry!«, rief ich. »Henry, mein alter Freund. Du bist noch hier.«
    Die Tür musterte mich vorwurfsvoll, ohne jede Spur der Wärme und Freundschaft, die uns früher verbunden hatte. Stattdessen stand sie nur da und erlaubte mir einen Blick in das spärlich beleuchtete Treppenhaus hinter ihr. Ich ging durch die Tür, schaute die hölzerne Wendeltreppe hoch und begann, die Stufen hinaufzusteigen. Weil Henry spürte, unter welcher Spannung ich stand, eilte er schnell an mir vorbei und fügte sich oben in die Wand, blieb aber geschlossen. Immerhin gestattete er mir, den Türknauf zu drehen. Im Wohnzimmer brannte Licht, und ich trat ein. Die Dielen knarrten unter meinen Füßen.
    Nichts hatte sich verändert. Die Sessel standen an ihrem normalen Platz vor dem Kamin, wandten mir aber sofort den Rücken zu, als sie mich erkannten. Die Teller und Tassen standen im Schrank, doch die Tassen drehten ihre Henkel weg, weil sie nicht wollten, dass ich sie herausholte. Der Garderobenständer stand wie immer in der Ecke, aber er schlich sich auf seinen vier Füßen davon und verschwand in dem Raum, der früher mein Zimmer gewesen war. Dann schloss er schnell die Tür hinter sich.
    Es machte mich schrecklich traurig, dass die Freunde meines Vaters alle so enttäuscht von mir waren.
    »Ach je!«, rief das Kaninchen, das aus dem Schlafzimmer meines Vaters kam. Es war schon älter und zuckte richtig zusammen, als es den unerwarteten Besucher sah, doch dann entspannte es sich und lächelte freundlich. »Du bist da! Ich kann’s kaum glauben! Ich habe dich zuerst gar nicht erkannt. Du bist so viel älter geworden.«
    »Guten Tag, Doktor Wings«, sagte ich, ging auf das Kaninchen zu und streichelte seine Ohren. Der Doktor hatte sich bei den Kinderkrankheiten immer um mich gekümmert, und ich mochte ihn sehr. »Ich habe Ihren Brief erhalten und bin gekommen, so schnell ich nur konnte.«
    »Verstehe«, sagte Dr. Wings und biss sich auf die Unterlippe. »Ich wusste nicht, ob mein Brief dich überhaupt erreicht hat. Du warst so lange weg.«
    »Ja, ich bin abgelenkt worden«, sagte ich, konnte ihm aber gar nicht in die Augen sehen, weil ich mich so für mein egoistisches Verhalten schämte. Ich hatte versucht, ein guter Sohn zu sein, aber die Wirklichkeit sah so aus, dass mich letzten Endes immer etwas daran gehindert hatte.
    »Du bist
abgelenkt
worden?«, wiederholte Dr. Wings streng. »So viele Jahre lang? Während dein Vater immer älter und kränklicher wurde? Wie ungewöhnlich!«
    »Es tut mir sehr leid«, sagte ich mit gesenktem Blick. »Aber jetzt bin ich hier. Wie geht es ihm? Besser? Ich möchte hierbleiben und für ihn sorgen. Ja, das will ich.« Ich verstummte, weil mir der schrecklichste aller Gedanken durch den Kopf schoss. »Er ist doch nicht … er wird doch nicht …«
    »Ach je.« Dr. Wings schüttelte traurig den Kopf und knabberte an einer Karotte. »Wenn du doch nur eine Stunde früher hier gewesen wärst.«
    »Ich habe versucht, nach Hause zu kommen!«, versicherte ich ihm, und die Last des schlechten Gewissens erdrückte mich fast. »Wie kommt es überhaupt, dass er so schwer krank wurde? Als ich weggegangen bin, war er noch ganz gesund. Natürlich war er nicht mehr der Jüngste, aber es hat ihm nichts gefehlt.«
    Dr. Wings kniff die Augen zusammen und musterte mich nachdenklich. »Was denkst du, wie lange du weg warst?«, fragte er.
    »Ein paar Monate, würde ich schätzen«, sagte ich, und meine Wangen röteten sich. »Ich habe kein besonders gutes Zeitgefühl. Wenn man so viel läuft, kommt man immer wieder in andere Zeitzonen und weiß nie genau, wo man gerade ist. Oder
wann
man ist.«
    Da entgegnete das Kaninchen: »Mein Junge, das ist das Albernste, was ich je gehört habe.« Es starrte auf die grünen Blätter oben an seiner Karotte, steckte sie in

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