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Der Junge mit dem Herz aus Holz

Der Junge mit dem Herz aus Holz

Titel: Der Junge mit dem Herz aus Holz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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während sie auf die andere Straßenseite schaute. »Was wollen diese Leute?«
    »Ach, ich würde sie gar nicht beachten«, sagte der alte Mann und kam nicht einmal ans Fenster. »Die kommen immer wieder, stehen hier rum und schreiben etwas auf. Dann verfassen sie Artikel für das Mitteilungsblatt, das jeder im Dorf bekommt und keiner liest, und in diesen Artikeln werde ich angeschwärzt. Aber nicht, weil sie ein Problem mit mir haben. Oder mit dem Laden. Es ist der Baum, über den sie sich aufregen.« Er zeigte auf die Zweige, die sich leise in der nachmittäglichen Brise wiegten – womit sie allerdings sofort aufhörten, als sie sich beobachtet fühlten. »Die Dorfbewohner sagen, dass das, was sich hier abspielt, nicht normal ist, aber ich sage, mir ist das egal. Wer hat sie überhaupt nach ihrer Meinung gefragt? Der Dackel ist auf meiner Seite, keine Sorge. Und der Esel ebenfalls. Die beiden halten die Störenfriede in Schach. Und wie findest du das hier?«
    Noah drehte sich um und nahm die Figur, die der alte Mann gerade fertiggeschnitzt hatte. Sie sah aus wie eine Art Marder. »Toll«, sagte Noah. »Wie haben Sie das so schnell geschafft?«
    Abb. 11 Ein ZEITMESSGERÄT an der WAND
    »Ich habe viel Erfahrung«, sagte der alte Mann.
    Noah schaute noch einmal hinunter zu der Versammlung, dann setzte er sich auf den Fenstersims.
    »Mein Vater sagt, die Ärzte sorgen dafür, dass es meiner Mutter bessergeht«, sagte er nach einer Weile. »Jedenfalls hat er das bisher immer gesagt. Jetzt sagt er, ich muss sehr tapfer sein.«
    »Und deine Mama?«, fragte der alte Mann. »Gehe ich richtig in der Annahme, dass sie im Krankenhaus liegt?«
    »Sie war im Krankenhaus«, sagte Noah und drehte sich weg, damit der alte Mann nicht sehen konnte, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen. »Jetzt ist sie wieder zu Hause. Im Bett. Sie ist gestern heimgekommen. Das wollte sie unbedingt. Sie hat gesagt, sie möchte zu Hause sein, wenn sie – wenn sie –« Er konnte nicht weiterreden, verzog das Gesicht und verkrampfte die Hände ineinander, um nicht die Fassung zu verlieren.
    »Aber wenn sie zu Hause ist und es ihr nicht gutgeht, müsstest du da nicht bei ihr sein?«
    Jetzt schaute Noah den alten Mann an. »Sie sind doch auch von zu Hause weggegangen«, sagte er.
    »Aber ich bin zurückgekommen, sobald ich erfahren habe, dass mein Vater krank war.«
    »Haben Sie lange gebraucht?«, fragte Noah und stand auf, weil er dem alten Mann helfen wollte, die letzten Tassen und die Gläser abzuräumen. Er war endlich satt. Auf der Anrichte stand zwar eine Schachtel Pralinen, aber er warf nur einen kurzen Blick darauf und schüttelte den Kopf, woraufhin die Pralinen betrübt in einem der Schränke verschwanden. »Sind Sie rechtzeitig nach Hause gekommen, nachdem Sie den Brief erhalten hatten, in dem stand, dass Ihr Vater krank ist? Waren Sie zu Hause, bevor er … bevor er …«
    »Bevor er gestorben ist?«, fragte der alte Mann. »Was ist mit dir los, mein Junge? Kannst du das Wort nicht aussprechen? Es ist nur ein Wort, sonst nichts. Nur eine Abfolge von Buchstaben, die irgendwie aneinandergereiht sind. Das Wort selbst ist nichts, verglichen mit seiner Bedeutung.«
    »Ja, genau das«, murmelte Noah. Er starrte auf den Fußboden, biss die Zähne zusammen und ballte die Fäuste so fest, dass er das Gefühl hatte, seine Finger würden die Handfläche durchbohren und auf der anderen Seite wieder herauskommen, wenn er nicht aufpasste. Er sah, dass sich noch eine letzte Marionette in der Kiste befand, und holte sie heraus – es war ein schon etwas älteres Kaninchen, dessen Schnurrhaare zuckten, wenn man an den Fäden zog. Noah legte es zu den anderen Marionetten. »Sind Sie nach Hause gekommen, bevor er gestorben ist?«

Kapitel 21 Die Dr.-Wings-Marionette
    Als ich zum Spielzeugladen kam (sagte der alte Mann), sah eigentlich alles genauso aus wie immer. An den Wänden und in den Regalen waren lauter Spielsachen, der Fußboden war voller Holzspäne, und hinter der Theke standen verschiedene Farbtöpfe mit halboffenem Deckel, an denen ein klebrig bunter Regenbogen herunterlief. Ein paar Spinnweben verzierten die Kasse. »Hallo?«, flüsterte ich leise. Ich schaute mich um und erwartete, dass mein Vater jeden Moment aus dem Schatten auftauchen würde. »Poppa?«
    Aber es kam keine Antwort, und ich biss mir ratlos auf die Unterlippe. Was sollte ich tun? Das Krankenhaus war nur ein paar Meilen entfernt – wenn ich mich darauf konzentrierte,

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