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Der Junge mit dem Herz aus Holz

Der Junge mit dem Herz aus Holz

Titel: Der Junge mit dem Herz aus Holz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Schwein«, sagte der alte Mann.
    »Gut, einverstanden«, sagte Noah. »Die Sache ist die: Ich glaube, ich habe einen Fehler gemacht. Als ich weggelaufen bin, meine ich. Ich glaube, ich habe mir nicht richtig überlegt, was das eigentlich bedeutet.« Seufzend schaute er sich um, schüttelte dann aber plötzlich den Kopf, als würde er versuchen, die ganzen Gedanken wegzuschleudern, die sich jetzt aufdrängten, und sein Blick wanderte wieder zurück zu den Marionetten. »Ich glaube, ich sollte jetzt lieber nach Hause gehen. Kann ich eine haben? Was sagen Sie?«, fragte er. »Darf ich eine mitnehmen?«
    Der alte Mann dachte lange über diese Bitte nach, doch dann schüttelte er den Kopf. »Ich glaube nicht«, sagte er. »Es tut mir leid, aber sie gehören alle zur Familie, musst du wissen. Sie erinnern mich an mein Leben.«
    »Aber Sie könnten doch eine neue schnitzen, oder?«
    »O nein«, sagte er kopfschüttelnd. »Es ist seltsam – immer, wenn ich ein Holzstück vor mir habe – immer, wenn ich mich hinsetze, um eine Marionette zu schnitzen, nehme ich mir vor, etwas ganz Bestimmtes zu schnitzen, aber aus irgendeinem Grund ist das Ergebnis nie so, wie ich es mir vorgenommen habe. Ich fange mit einem bestimmten Bild im Kopf an, und dann kommt etwas völlig anderes aus dem Holz heraus. Zum Beispiel das hier«, sagte er und hielt den Holzklotz hoch, der sich in einen Pavian verwandelt hatte. »Ich hatte nicht vor, einen Pavian zu schnitzen.«
    »Sondern? Was wollten Sie machen?«
    Der alte Mann wandte den Blick ab. Dann zuckte er die Achseln. Es war Zeit, endlich die Wahrheit zu sagen. »Tja – mich selbst natürlich«, antwortete er mit einem Lächeln.

Kapitel 23 Der große Holzschnitzer
    Die Wahrheit sieht so aus (sagte der alte Mann): Ich habe viele Jahre lang ganz bewusst keine Puppen geschnitzt. Stattdessen habe ich Züge und Boote, Buchstabenklötze und Bleistifthalter gemacht und überhaupt alles Mögliche, was mir eingefallen ist und was man aus Holz und Nägeln herstellen kann. Ich hielt die Traditionen aufrecht, die Poppa begonnen hatte, und in manchen Fällen gelang es mir sogar, sie zu verbessern.
    Ich reiste zwar nicht mehr durch die Welt und erlebte keine großen Abenteuer mehr, aber ich behielt nach seinem Tod meine übliche Routine bei: Jeden Morgen und jeden Abend ging ich laufen. Allerdings lief ich nur ein paar tausend Mal ums Dorf herum, weil ich wusste, wenn ich mich weiter entfernte, kam ich bestimmt zu irgendeinem Palast oder zu einem Festival, oder ich rannte hinauf zu den Pyramiden und hinunter in den Grand Canyon. Aber ich musste mich jetzt um das Geschäft kümmern, das kam an erster Stelle.
    Doch dann geschah etwas sehr Merkwürdiges. Eines Tages, als ich gerade mein abendliches Laufpensum antreten wollte, spürte ich, dass ich müde war. Ich bückte mich, um meine Schnürsenkel zu binden, und als ich mich wieder aufrichtete, stieß ich wider Erwarten einen Seufzer der Erschöpfung aus, und meine Hand wanderte blitzschnell zu meinem Kreuz, weil es ziemlich weh tat. Ich bin dann an diesem Abend zwar noch gelaufen, aber als ich heimkam, keuchte ich mehr als sonst und aß nicht einmal mein Abendessen, sondern fiel gleich ins Bett. Ich dachte nicht länger darüber nach, aber ein paar Monate später fing es an, dass ich jeden Morgen stöhnte, sobald Alexanders Weckruf ertönte. Am liebsten hätte ich mich unter der Decke verkrochen und wäre gar nicht laufen gegangen.
    Und so verging ein Jahr nach dem anderen, und ich begriff allmählich, dass ich meine sportlichen Aktivitäten etwas einschränken musste. Mein Körper war inzwischen weniger elastisch, meine Beine reagierten nicht mehr so bereitwillig auf meine Ansprüche. Ich war einfach nicht mehr so schnell wie früher. Die kleinen blauen Venen auf meinem Handrücken wurden immer deutlicher sichtbar. Einmal bekam ich sogar eine Erkältung.
    Und dann, irgendwann, als ich eins der im Laden ausgestellten Spielzeuge abstaubte, sah ich plötzlich meinen Vater vor mir stehen. Er war nur einen guten Meter von mir entfernt und genauso alt wie an dem Tag, an dem ich zu meinen triumphalen Olympischen Spielen aufgebrochen war, damals, vor vielen, vielen Jahren. »Poppa!«, rief ich. Ich freute mich so, ihn wiederzusehen, dass ich einen Moment lang vergaß, dass er ja schon seit vielen Jahren tot war. Mit ausgebreiteten Armen rannte ich auf ihn zu, und Poppa rannte auf mich zu, ebenfalls mit ausgebreiteten Armen.
    Wir stießen zusammen. Ich fiel um.

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