Der Junge mit den blauen Haaren
Walde.
„Komm, wir müssen los!“
„Huh?“
„Sport.“
„Hm.“
Und dann lachen wir beide, bis unsere Bäuche schmerzen und uns die Tränen kommen.
Rheena und Tiger sind schon umgezogen und kommen uns auf unserem Weg in die Umkleideräume entgegen.
„Hey, trödelt ihr etwa extra hier rum, um euch vor dem Warmlaufen zu drücken?“, ruft Tiger lachend.
„Keine Chance“, flötet Rheena grinsend, „ihr müsst eure vier Meilen abdrücken, wie wir alle.“
Die beiden verschwinden Richtung Aschenbahn und Kay und ich trennen uns vor den Umkleidekabinen.
„Ich warte auf dich. Wir laufen gemeinsam.“
Kay wartet meine Antwort nicht ab und ich trabe in die Mädchen-Umkleide.
Ich öffne mein Fach und greife mir meine Sportsachen. Sie sind wie immer frisch gewaschen. Aber irgendwie riechen sie heute seltsam. Hat Mrs. Pennyfox das Waschmittel gewechselt?
Schade, denn eigentlich mochte ich den Duft ganz gerne.
Vielleicht sollte ich meine Sachen doch lieber selber waschen. Allerdings gibt es nur zwei Sport-Sets, wie ich längst bemerkt habe. Dann müsste ich quasi spätestens jeden zweiten Tag waschen.
Puuh! Auch nicht das Gelbe vom Ei.
Inzwischen ist mir auch der Sinn hinter der Sache mit den Sportsachen klar geworden.
Um allen Eventualitäten vorzubeugen, gewisse Schülerinnen könnten sich in besonders aufreizende Fummel werfen und damit gegen Sitte und Anstand auf Castillian-High verstoßen, hat man kurzerhand entschieden, dass im Sportunterricht Einheitskleidung zu tragen ist. Da das Gemaule über diese Regelung vermutlich ziemlich groß war, hat man die Schüler mit dem Angebot geködert , diese Sachen immer frisch und sauber bereit zustellen. Schließlich handelt es sich bei den Klamotten ja um Schuleigentum.
Andererseits traute man vielleicht auch den Waschkünsten der Schüler nicht über den Weg.
Sei's drum!
Widerwillig schlüpfe ich in die Klamotten. Autsch! Und kratzig sind sie auch noch.
Mrs. Pennyfox ist eine exzellente Köchin – aber mit dem Waschen hat sie es wohl eher nicht.
Was soll’s! Die zwei Stunden Sport werde ich doch wohl herum kriegen.
Wie versprochen steht Kay vor der Türe und wartet auf mich. Ich zappele, aber nicht vor Ungeduld, sondern weil es juckt.
Er tut so, als bemerke er es nicht. Vielleicht tut er es auch wirklich nicht. Immerhin gebe ich mir reichlich Mühe, mich nicht zu kratzen wie ein Affe.
„Wollen wir?“
Ich nicke. „Wer zuerst draußen ist!“, rufe ich und schon bin ich weg.
Kay holt mich schon nach einer halben Meile ein. In lockerem Tempo laufen wir unsere Runden.
Miss Viola steht mit der Stoppuhr am Rand der Aschenbahn und winkt uns freundlich zu. Ich winke zurück.
Der kühle Wind tut gut und lindert den Juckreiz etwas, der inzwischen meinen ganzen Oberkörper quält.
So unauffällig wie möglich, kratze ich mich am Bauch. Nachdem ich einmal damit angefangen habe, juckt es überall.
An den Oberarmen, am Hals, am Rücken, an den Brüsten …
Während es an Bauch und Rücken nur tierisch juckt, habe ich am Hals das Gefühl, mein Shirt würde sich immer enger um meine Luftröhre ziehen.
Keuchend bleibe ich stehen, in der Hoffnung, dass Kay denkt, ich wäre außer Puste, und einfach sein Ding durchzieht und weiterläuft.
Die Hände auf meine Knie gestützt, stehe ich mit gesenktem Kopf da und ringe nach Atem.
Kay läuft tatsächlich noch ein Stückchen weiter, dann kehrt er grinsend zu mir zurück.
„Hey, Wilma Rudolph, was ist los mit dir? Ich hatte eigentlich bisher den Eindruck, du könntest glatt das Doppelte laufen und heute machst du nach der Hälfte schon schlapp?“
„Ich … es … ich kann … entschuldige … aber …“
„Um Gottes Willen, Kim!“
Kays erschreckter Ausruf ist das Letzte, das ich höre … dann küsse ich die Aschenbahn.
21)
A ls ich wieder zu mir komme, liege ich auf einer Matte in der kühlen Sporthalle.
Panisch fasse ich mir an den Hals und will mir mein T-Shirt herunterreißen. Aber da ist keins. Nur ein kühles, feuchtes Handtuch bedeckt meinen Oberkörper.
„Hey, Süße, du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt“, flüstert Rheena erstickt und streichelt meine Wangen. Ihre Augen sind gerötet, als hätte sie geweint.
Um mich?
„Was … ist passiert?“, frage ich, als ich Miss Viola hinter Rheena erblicke, die mit ernster Miene mit Kay debattiert.
„Das fragst du am besten Kay“, rät Rheena, „ich weiß nur, dass er plötzlich mit dir auf dem Arm an uns vorbeigerast ist, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her.
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