Der Junge mit den blauen Haaren
Babybettchen. Drei davon sind belegt … das vierte ist leer.
Ich weiß nicht, wie ich mit der plötzlichen Wendung meines Traumes umgehen soll und sehe Kay ratlos an.
Das Letzte, das ich sehe, bevor ich aus dem Schlaf hochschrecke, ist Kays tieftrauriges Gesicht, mit dem er auf das leere Bettchen blickt.
18)
E s ist noch finster draußen.
Obwohl ich laut Badezimmer-Nutzungsplan noch nicht dran bin, riskiere ich es und schlurfe ins Bad. Das Ende meines Traumes hat mir gar nicht gefallen und ich muss etwas tun, um mich abzulenken. Duschen zum Beispiel.
Kay schläft bestimmt noch.
Beim Zähneputzen werfe ich einen kurzen Blick in den Spiegel. Meine Lippen sind sanft geschwollen.
Unmöglich! Es war doch nur ein Traum! Allerdings ein sehr intensiver Traum … und mit einem Ende, wie es bisher noch niemals in meinen Träumen vorgekommen ist.
Während ich das heiße Wasser der Dusche über mich laufen lasse, versuche ich, Klarheit darüber zu bekommen, wie das geschehen konnte.
Bisher hatte ich nämlich immer die Kontrolle über meine Träume.
Dass ich meine Träume kontrollieren kann, bemerkte ich zum ersten Mal, als ich noch recht klein war. Vielleicht vier oder fünf Jahre alt. Keine Ahnung. Nein, eher wohl schon sechs, ich konnte nämlich bereits lesen.
Ich war den ganzen Tag lang niedergeschlagen. Nicht, dass das etwas Neues für mich gewesen wäre.
Um mich von meinen traurigen Gedanken etwas abzulenken, kramte ich mein Märchenbuch hervor und las eine meiner Lieblingsgeschichten über Elfen und Feen.
Als ich müde genug war, beschloss ich, von genau diesen Feen und Elfen zu träumen … und war mehr als überrascht, als es tatsächlich funktionierte.
Drei kleine Waldbewohner aus meinem Märchenbuch tummelten sich die ganze Zeit über in meinem Kinderzimmer.
Okay, das konnte ein Zufall gewesen sein.
Also probierte ich es am nächsten Abend wieder. Und auch am darauffolgenden.
Es funktionierte immer.
Auch die immer wiederkehrenden Albträume kamen nicht zurück.
Irgendwann war mir klar, dass ich es wirklich drauf hatte – ich war imstande, das zu träumen, was ich wollte. Und nichts und niemand war in der Lage, meine wunderschönen Träume zu stören.
Lediglich wenn ich mir nicht ein bestimmtes Traum-Thema vorgenommen hatte, oder wenn ich zu müde war, um träumen zu wollen, träumte ich hin und wieder Dinge, die ich mir zunächst nicht erklären konnte.
Als ich anfing, von Kay zu träumen – ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass er der blauhaarige Traumtyp ist – schob ich es auf meine, wenn auch ziemlich spät, erwachenden Hormone.
Allerdings ist es noch nie vorgekommen, dass mein Wunschtraum von einem unerwünschten Traum abgelöst wurde.
„Kim? Bist du etwa schon auf?“
Kays Stimme dringt durch die Badezimmertüre und ich schrecke aus meinen Gedanken auf.
„Entschuldige bitte“, bringe ich stammelnd hervor, „habe ich dich geweckt? Das wollte ich nicht. Tut mir wirklich leid, aber ich konnte nicht mehr schlafen.“
Ich höre sein Lachen. Tief und angenehm.
„Mach dir keinen Kopf, Kim! Ich bin schon länger wach.“
Gerade will ich aufatmen, als er weiterspricht.
„Allerdings hast du verdammtes Glück, dass ich so gute Ohren habe.“
Häh? „Wie meinst du das?“
„Na, wenn ich schwerhörig wäre, hätte ich womöglich das Rauschen des Wassers nicht gehört und wäre …“
„Okay, okay“, rufe ich hastig, „hab‘s kapiert.“
Mit zitternden Fingern grapsche ich nach dem Badetuch und schlinge es um meinen Körper.
Du liebe Güte! Ich habe tatsächlich nicht daran gedacht, die Türe einfach abzuschließen.
Fix entferne ich meine Duschutensilien aus der kleinen Kabine. Dann zerre ich das Handtuch wieder von meinem Körper und wische damit die Wände trocken.
„Bist du fertig?“
„Nein!“, kreische ich panisch.
Nicht auszudenken, wenn Kay jetzt in diesem Moment die Tür öffnet.
Das erste, was er zu sehen bekäme, wenn er reinkäme, wäre mein splitterfasernackter Hintern, der sich ihm entgegen reckt.
Kays lautes Lachen ist so ansteckend, dass ich unwillkürlich anfange, zu kichern.
Schnell bringe ich meine Arbeit zu Ende.
„Zähl laut bis zehn! Dann kannst du reinkommen!“
„Eins … zwei … drei …“
Als er bei sieben ankommt, werfe ich hektisch die Tür zu meinem Zimmer zu und lasse mich schwer atmend zu Boden sinken.
„Muss ich abschließen?“
Irre ich mich, oder klingt seine Stimme belustigt?
„Nur, wenn du nicht möchtest, dass ich dir den Rücken schrubbe!“
Kim!!!! Meine
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