Der Junge mit den blauen Haaren
Miss Viola hat sofort alles fallen lassen und Kay mit dir in die Halle geschickt. Wir anderen haben natürlich sofort sämtliche sportlichen Aktivitäten eingestellt. Aber nur ich durfte rein. Die anderen warten draußen. Geht’s dir denn wieder besser?“
„Ich … denke schon“, stammele ich, „wo … ist mein T-Shirt?“
Rheena sieht sich suchend um. „Keine Ahnung, Süße, als mich Miss Viola reingelassen hat, lagst du schon unter dem feuchten Handtuch.“
So zermatscht kann mein Hirn gar nicht sein, dass mir nicht sofort der unangenehme Gedanke kommt, dass Kay dabei war, als Miss Viola mich von dem juckenden Shirt befreit hat … mich in meinem BH gesehen hat …
Nicht, dass er das nicht bereits getan hätte! In einer Art Vorahnung tasten sich meine Hände, die bisher ruhig neben meinem Körper liegen, wie ohne mein Zutun unter das Handtuch.
Ich bin nackt. Nun ja, zumindest oben rum.
„Oh Gott“, quieke ich.
Sofort lässt Kay Miss Viola stehen, flitzt zu mir und lässt sich neben mir auf die Knie sinken.
„Kim, Kleines, was ist los? Geht es dir wieder schlechter? Hast du wieder Atemnot?“
Seine Hände fahren unruhig an meinem Oberkörper auf und ab.
Rheena macht ihm bereitwillig Platz. Ihre besorgte Miene wird abgelöst durch etwas anderes. Etwas, das aussieht, wie ein verträumtes Lächeln.
„Ich geh dann mal zu den anderen“, sagt sie laut, „die machen sich bereits Sorgen.“
Dann, ganz leise und nur für mich: „Du bist hier in den allerbesten Händen.“
Ich nicke verwirrt und winke ihr zum Abschied zu.
Miss Viola gesellt sich mit ernstem Gesicht zu uns.
„Kim, können Sie sich daran erinnern, was passiert ist?“, fragt sie besorgt.
„Ich, ähm, ich weiß nur noch, dass ich plötzlich keine Luft mehr bekommen habe“, antworte ich leise.
„Haben Sie sich schon den ganzen Tag über schlecht gefühlt?“
„Ähm … nein“, gebe ich zu, „eigentlich ging es mir gut. Und ich hatte auch keine Atemnot. Also, jedenfalls nicht, bevor …“
Ich runzele die Stirn.
Aber nein, das eine hat sicherlich nichts mit dem anderen zu tun .
„Bevor?“, hakt Kay nach.
„Bevor ich diesen grässlichen Juckreiz bekommen habe“, flüstere ich, als wäre es meine Schuld. „Aber ich schwöre, ich habe heute Morgen geduscht. Ich habe keine Läuse oder so was.“
Die letzten Sätze kreische ich hysterisch.
Gott, wie dämlich ist das denn? Kim, du machst dich wirklich lächerlich. Aber keiner lacht.
Kay drückt beruhigend meine Schulter und wirft Miss Viola einen seltsam wissenden Blick zu.
Was, zum Teufel, geht da zwischen den beiden vor? Als ob Miss Viola wüsste, dass Kay gleich bestätigen wird, dass ich tatsächlich geduscht habe, schenkt sie mir ein aufrichtiges Lächeln.
„Keiner denkt, dass Sie Läuse haben, Kim! Das Jucken kommt von dem Juckpulver.“
„Juckpulver?“, krächze ich.
Miss Viola nickt. „Ja, Ihr Sportshirt scheint geradezu darin gewälzt worden zu sein. Da hat sich wohl jemand einen Scherz erlauben wollen.“
Miriam! Mein Blick huscht zu Kay. Er scheint dasselbe zu denken.
„Aber … aber“, stottere ich, „von Juckpulver bekommt man doch keine Atemnot.“
„Nicht, wenn man nicht zusätzlich gegen Hagebutten allergisch ist!“
Kay stößt die Worte zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus. Seine Stimme ist eiskalt.
„W … was?“
Ich verstehe nur Bahnhof.
„Du hast mal erwähnt, dass du von Hagebutten-Tee immer ein Taubheitsgefühl auf der Zunge bekommst.“
Das weißt du noch?
Er sagt das so, als müsse ich verstehen, was er damit meint.
„Was Kay damit sagen will“, sieht sich Miss Viola genötigt, mich aufzuklären, „ist, es könnte durchaus sein, dass Sie auf Hagebutten allergisch reagieren, Kim. Und da Juckpulver, wenn man es selbst herstellt, getrocknete Hagebutten-Samen enthält …“
Sie beendet ihren Satz nicht. Doch das ist auch nicht nötig. Ich hab‘s kapiert.
„Schlechter Scherz, hm?“, murmele ich.
„Übler Streich“, konstatiert Kay.
„Aber das konnte der- oder diejenige ja nicht wissen“, stelle ich fest.
Auch wenn ich überzeugt davon bin, dass es Miriam war, die mir das eingebrockt hat, möchte ich dennoch nicht, dass in dieser Sache weitere Nachforschungen angestellt werden.
Ich weiß, dass es dann nur noch schlimmer wird.
„Haben Sie jemanden in Verdacht?“ Miss Viola sieht aus, als wisse sie bereits, wie meine Antwort lautet.
„Nein“, sage ich fest, „und ich möchte auch nicht, dass die Sache aufgebauscht wird. Es ist ja nochmal alles
Weitere Kostenlose Bücher