Der Junge mit den blauen Haaren
Augen an.
Sein erschreckter Ausdruck gibt mir Auskunft darüber, wie ich aussehen muss.
„Komm, lass uns rausgehen!“, sagt er und hilft mir beim Aufstehen.
Ich zittere wie Espenlaub und er legt einen Arm um meine Taille, um mich zu stützen.
„Wir … können … dürfen wir das überhaupt?“, stammele ich, unfähig auch nur einen vernünftigen Satz zustande zu bringen.
„Miss Viola hat mich geschickt. Es ist in Ordnung. Komm jetzt. Die frische Luft wird dir gut tun.“
Da ich ohnehin nicht fähig bin, eine eigene Entscheidung zu treffen, füge ich mich und lasse mich von Kay nach draußen schieben.
Zielstrebig zieht er mich in den Park … an genau den Platz, den ich in meinem Traum aufgesucht habe, um ihn zu treffen.
Den Rest des Lateinunterrichts verbringen wir schweigend … unter einem großen Mandarinenbaum.
20)
A uf das Mittagessen verzichte ich heute. Irgendwie ist die Sache mit Miriam in meinem Kopf besonders präsent. Sie hält schon viel zu lange still.
Vielleicht bin ich auch nur verwirrt, was die Sache mit Miss Viola, Kay und dem Obstgarten angeht.
Außerdem bin ich in Gedanken noch immer bei meinem Traum und ich weiß, dass ich heute nicht mutig genug bin, einen erneuten Versuch mit einem voll beladenen Tablett zu starten.
Nach dem desaströsen Pudding-Ereignis haben es Kay, Rheena und Tiger bisher übernommen, den Nachtisch für uns zu holen.
Allerdings erklärte ich gestern Abend in einem Anflug von Größenwahn, dass ich ab heute diese Arbeit wieder übernehmen werde.
Hätte ich doch nur meine große Klappe gehalten.
Kim, du machst dich lächerlich! Miriam wird nicht zweimal dieselbe Aktion starten!
Dennoch – ich bin ein Feigling.
Ohne jemandem Bescheid zu sagen, gehe ich, nachdem ich zum Schein zusammen mit Kay zunächst einmal wieder zurückgegangen bin, wieder in den Park und hocke mich unter einen abgeernteten Apfelbaum.
Ich klappe meinen Laptop auf und sehe mir meine Notizen aus dem gestrigen Mathe-Unterricht noch einmal an.
Verflixt, diese Scheiß-Formeln waren schon immer ein rotes Tuch für mich.
Ich lasse mich genervt nach hinten fallen und blinzele durch die Blätter, wobei mich die Sonnenstrahlen so lange an der Nase kitzeln, bis ich niesen muss.
Eine leise Melodie kündigt die Ankunft einer SMS an.
Ich hätt’s wissen müssen. Stöhnend setze ich mich wieder auf und öffne sie.
Wo, zum Teufel, steckst du? Sofort habe ich ein schlechtes Gewissen. Ich hätte sagen sollen, dass ich nicht mitkomme. Aber dann hätte ich erklären müssen, warum das so ist. Und wie bereits erwähnt, bin ich ein Feigling.
Seufzend schicke ich Kay meine Antwort.
Bin nicht hungrig. Wollte lieber die Sonne genießen. Fünf Minuten später erscheint Kay. Sein Gesicht spricht Bände.
„Hier“, sagt er und drückt mir ein Sandwich in die Hand.
„Ich sagte doch, ich bin nicht …“
„Iss! Und erzähl mir nichts vom Pferd! Mir musst du nichts vormachen, Kim – ich weiß, was los ist.“
Und ich weiß, dass es so ist.
Warum? Keine Ahnung!
Ich habe wirklich nicht den Hauch einer Idee, ob das, was zwischen Kay und mir vor sich geht, dem üblichen Standard entspricht. Vermutlich eher nicht.
Noch mehr Dinge, mit denen ich mich auseinander setzen muss … aber nicht jetzt.
Kay lässt sich neben mir ins Gras plumpsen.
Stirnrunzelnd betrachte ich das Thunfisch-Sandwich in meiner Hand. Es sieht gut aus und es riecht noch besser.
Also beiße ich hinein. Der Appetit kommt beim Essen.
„Schmeckt‘s?“
Kay grinst spitzbübisch und ich grinse zurück. Nicht ohne mir vorher schnell mit der Zunge über die Zähne gefahren zu sein.
Sicher ist sicher!
Während ich noch den Rest verschlinge, packt Kay zwei Äpfel aus, bringt sie mittels Reiben an seinen Jeans zum Glänzen und reicht mir einen davon.
„Dankeschön“, murmele ich. Dann gebe ich mir einen Ruck und trete die Flucht nach vorne an.
„Ich wollte dir nichts vormachen, ehrlich!“
„Du hättest ruhig mitgehen können“, sagt Kay, ohne näher auf meine Worte einzugehen, „sie war nicht da.“
Ich verschlucke mich an einem Apfelstück und Kay klopft mir so heftig auf den Rücken, dass mir die Luft wegbleibt.
„Besser?“, fragt er und ich bin nicht sicher, ob er deshalb so fest zugeschlagen hat, weil ich ihn irgendwie verärgert habe.
„Geht wieder“, keuche ich und wische mir die Salzspuren von den Wangen.
Schweigend knabbern wir an unseren Äpfeln.
„Sie hat sich entschuldigen lassen. Ihr ginge es nicht gut.“
„Ah ja.“
Und wieder Schweigen im
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