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Der junge Seewolf

Titel: Der junge Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Frank
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ist ein kleines Städtchen, und unsere Hafenstädte sind groß. In London weiß niemand, wie viele tausend Menschen in den Hütten im Osten und in Southwark hausen. Wer gibt das Geld, an jeder Ecke ein Waisenhaus zu unterhalten? Wir haben in Portsmouth auch ein Waisenhaus, und ich weiß, wie schwer es ist, das Geld immer heranzuschaffen.«
    »David meint es doch nicht böse, William!« fiel Tante Sally ein, die sich hinzugesellt hatte. »Erzähl ihm von der Marinevereinigung, die viel Gutes für die Jungen tut.«
    »Ja, die Marinevereinigung soll das Elend dieser Kinder lindem. Die verwahrlosten Jungen werden eingekleidet, ernährt, und man verschafft ihnen einen Arbeitsplatz in der Handelsmarine oder der Royal Navy. Es gibt die Marinevereinigung seit 1756. Sie hat sich allmählich in allen großen Hafenstädte ausgebreitet, und ich bin stolz darauf, in Portsmouth ihr Vorsitzender zu sein.«
    »Könntest du nicht den Jungen helfen, Onkel William, die wir heute gesehen haben?« beharrte David.
    »Ich fürchte, nein. Wenn der Richter sie zur Deportation verurteilt hat, kann ihnen in Friedenszeiten nur die Gnade des Königs helfen. Die Marinevereinigung kann nur Jungen aufnehmen, denen der Richter es bei kleineren Vergehen empfiehlt und die zu uns wollen, natürlich vor allem jene, die nicht mit dem Gericht zu tun hatten. Wir geben ihnen Kleidung, Nahrung und eine erste Ausbildung in Seemannschaft. In Portsmouth besorgt das Bill Crowden, ein früherer Bootsmannsmaat. Dann suchen wir ein gutes Schiff mit einem verständnisvollen Kapitän. Die Jungen fangen meist als Kapitäns- oder Offiziersdiener an. Aber wer tüchtig ist und etwas Glück hat, dem steht in unserer Flotte die Welt offen. Ich sag' es immer, David, Britanniens Zukunft liegt auf dem Meer, nicht in den Elendsvierteln der Städte.«
    Das Meer war allgegenwärtig in Portsmouth. Als David an einem Sonntag mit Onkel und Tante einen Spaziergang unternahm und sie am Runden Turm standen, brachte ihm das Meer den anderen nachwirkenden Eindruck, den er immer mit dem Point verband.
    Von der See glitt majestätisch wie ein Schwan ein großes Segelschiff auf den Hafen zu. Über schwerem, dunklem Rumpf leuchtete zunächst ein Riesenberg heller Segel. Dann waren immer mehr Einzelheiten zu erkennen. Drohend nach vorn reckte sich der riesige Bugspriet mit den viereckigen Blindesegeln darunter. Hinter den Klüvern waren die Focksegel zu erkennen, welche die Segel der anderen Masten fast verdeckten.
    Später holten wimmelnde Figuren Blindesegel, Fock und Großsegel ein. Als das riesige Schiff fast querab von ihnen war, kaum einhundertfünfzig Meter entfernt, enterten die Matrosen die Wanten hinauf und verteilten sich an den Rahen, die Füße fest auf die Fußpferde gestemmt, bereit für die weiteren Segelmanöver.
    Die Galionsfigur leuchtete blau und golden zu ihnen herüber. Der untere Rumpf war schwarz angestrichen, darüber folgte ein breites gelbes Band, in dem die Reihen der Geschützpforten zu sehen waren. In dunklem Blau bildeten Vorder-, Achter- und Poopdeck den Übergang zu den dunklen Masten und den hellen Segeln.
    »Das ist die Sandwich, ein Linienschiff der zweiten Klasse mit 90 Geschützen«, sagte Onkel William. »Sie wird zur Überholung in der Werft erwartet.«
    Er wies seine Begleitung noch auf viele Einzelheiten hin, als das Schiff vorbeiglitt, auf die schwarzen Rohre der Kanonen auf dem Oberdeck, auf die Marse, Gefechtsstation der Seesoldaten, von denen einige schon mit ihren roten Röcken für die beim Anlegen erforderlichen Zeremonien bereitstanden, auf die riesigen Anker, die bereitgemacht wurden, auf die Stage, gewaltige Taue, die die Masten nach vorn sicherten.
    David schien tief beeindruckt. Er fragte kaum nach, sondern starrte nur gebannt auf dieses riesige, von Menschenhand geschaffene Gebilde, das so leicht und wie von einem unsichtbaren Mechanismus gelenkt die Meerenge durchquerte. Es erinnerte ihn an die Maschinerie in Mr. Cox' Museum, war aber so unendlich viel größer.
    »Woher kommt das Schiff?« fragte er, aber der Onkel wußte es nicht und verwies ihn an Mr. Grey. Mit leichtem Schmunzeln erinnerte sich David viele Jahre später, daß ihm damals der Gedanke durch den Kopf ging, es müsse ein übermenschliches Wesen sein, das so ein Riesenschiff kommandiere und lenke.
    Mr. Grey und die Königliche Werft waren ein anderer Höhepunkt in Davids ersten Erinnerungen an Portsmouth. Dem Tag, an dem Mr. Grey ihn gemäß einer Verabredung mit dem

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