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Der junge Seewolf

Titel: Der junge Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Frank
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wurden gerade abgelöst.«
    »Nun, dann können Sie mir vielleicht einen Augenblick widmen. Ich möchte gern Ihre Meinung über eine Frage der Ehre erfahren.«
    David schien konsterniert, wußte nicht, was ihn erwartete und murmelte etwas, was respektvoll genug klingen konnte.
    »Sehen Sie«, plauderte Mr. MacMillan weiter, »Sie haben uns an Bord empfangen, als wir befreit waren. Sie haben gesehen, wie schmutzig wir waren, verschwitzt und durstig. Sie wußten, daß man uns gestoßen und gedemütigt hatte. Dürfen wir, die Sie uns im Zustand der Erniedrigung und Schande erlebten, uns das Recht nehmen, Ihre Freundschaft in Worten und Taten zu genießen? Müßten wir uns nicht schamhaft zurückziehen, um Sie nicht zu kompromittieren?«
    David konnte das Ende der Frage kaum erwarten. Mit der Beredsamkeit, mit der nach seiner Schulerinnerung die Klassiker des Altertums geantwortet hätten, beeilte er sich, seinen Edelmut zu beweisen. »Im Gegenteil, verehrter Sir! Wenn ich Ihrer und Ihrer Damen Freundschaft nur im Geringsten wert wäre, dann müßte ich sie doch um so mehr unter Beweis stellen, wenn Sie unverdient gedemütigt worden sind. Was wäre das für eine Freundschaft, die nur für Zeiten des Glücks und des Erfolges gilt? In bin geehrt, Sir, daß ich Ihnen nach der Befreiung ein wenig behilflich sein durfte, und wünschte nur, ich hätte Ihnen früher zu Dienst sein können.«
    Mr. MacMillan nickte bedächtig. »Sehr großherzig und menschlich gedacht, Mr. Winter.« Und dann blieb er stehen und blickte David von der stattlichen Größe seiner gut sechs Fuß herab an: »Wäre es dann nicht aber eigennützig und überheblich, wenn Sie Ihren Freunden jeden Anteil an Ärger und Demütigung verwehren würden, der Ihnen zugefügt wurde? Wäre es nicht eitler Hochmut, mitfühlende Menschen zurückzustoßen, die an Sie und Ihre Ehre glauben? Ist es nicht herzlos, ihnen plötzlich das freundschaftliche Gespräch zu verweigern?«
    David erkannte, in welche Falle ihn der alte Fuchs gelockt hatte. Sein jugendlicher Trotz wollte aufbegehren, aber er fühlte nicht nur die ihm entgegengebrachte Zuneigung, er konnte sich auch den Argumenten nicht verschließen.
    »Aber, Sir, ich wollte, ich konnte … Was hätte ich denn …«, stotterte er mit gesenktem Kopf.
    »Ich verstehe Sie schon, Mr. Winter. Glauben Sie mir, in einem langen Leben habe ich sehr viele Fehler erlebt, die aus Trotz und falscher Scham geschahen und später bitter beklagt wurden. Seien Sie zu klug für so etwas! Ihre Ehre lebt in Ihnen und den Herzen Ihrer Freunde, nicht in der Gewalt einer mißgünstigen Umgebung. Überschlafen Sie die Worte eines alten Mannes. Morgen plaudern Sie mit den Damen wieder wie immer und verkürzen ihnen die Reise.«
    Lange dauerte die Reise bis Gibraltar sowieso nicht mehr. Eine Woche segelten die Schiffe mit leichten Winden in der warmen Witterung voran. Der Dienst ging in Routine über. Maate und Kapitäne von der Schebecke waren eines Abends Gäste der Offiziersmesse, und Mr. Morrison übernahm die Wache, damit Mr. Grant der Messe Vorsitzen konnte.
    Tagsüber waren Sonnensegel für die MacMillans und den Missionar gespannt, und wenn der Dienst es erlaubte, waren Susan und David im Gespräch vertieft. Nur Matthew teilte häufiger ihre Gesellschaft, während Mr. Marshs Versuche, Konversation mit den Damen zu treiben, auf ebenso eisige wie deutliche Ablehnung stießen.
    Dann tauchte eines Morgens, nachdem der Dunst sich gelichtet hatte, Tanger Steuerbord querab auf. Die Fregatte nahm Kurs auf Gibraltar, die Schebecke folgte ihr, die grüne Piratenflagge unter dem Union Jack.
    Als sie mittags in den Hafen einliefen und die Salutschüsse dröhnten, konnte David den MacMillans erklären, was der Stückmeister murmelte, um den Takt einzuhalten.
    »Aber der Rhythmus stimmt doch gar nicht!« protestierte Susan.
    »Doch, man muß es nur ›Kannonier‹ aussprechen«, antwortete David, und die beiden strahlten sich an, als hätten sie ein gemeinsames Geheimnis.

Contredanse und Überfall
    »Die Herren Offiziersanwärter der Fregatte Shannon!« rief der Bedienstete dem Gouverneur und seiner Frau zu, die am Eingang zum großen Kristallsaal standen. Die Gruppe der Midshipmen und Servants schob sich durch die große Flügeltür voran, Mr. Morrison in der ersten Reihe, David in der letzten.
    Der Gouverneur lächelte freundlich: »Ich hoffe, Sie werden weiterhin Ihre Pflicht im Dienst des Königs so gut erfüllen.« Seine Frau nickte ihm zu,

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