Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der junge Seewolf

Titel: Der junge Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Frank
Vom Netzwerk:
Übung in der Gesellschaft verriet.
    »Was ist denn da los, Mutti?« forschte Susan mit unterdrückter Stimme.
    Diese antwortete leise aus den Mundwinkeln: »Ich weiß es auch nicht. Ich nehme an, es handelt sich um eine schiffsinterne Abreibung, wie sie jüngere Kadetten öfter mal von älteren erhalten. Aber der Herr eben, der uns darüber aufklärte, sah nicht so aus, als sei es gerecht dabei zugegangen.«
    Um Mr. Hope war inzwischen einige Unruhe aufgekommen. Er rief Mr. Marsh, damit er als Midshipman der Wache die Breite maß und gab seinen Sextanten noch einmal an David, ehe er ihn selbst sorgfältig an Kimme und Sonne orientierte und dem Seesoldaten zurief: »Mach es zwölf Uhr!«
    Der drehte die Sanduhr und schlug acht Glasen.
    Mr. Hope ließ sich Davids Schiefertafel mit der Breitenbestimmung zeigen, nickte und fragte: »Nun, Mr. Marsh, welche Breite haben Sie gemessen?«
    »Siebenunddreißig Grad, acht Minuten, Sir!«
    »So!« murmelte der Master, »und welchen Kurs steuern wir?«
    Marsh warf einen Blick auf den Kompaß: »Nord zu Ost, Sir!«
    »Und wo sollen wir anlaufen?« folgte die Ergänzungsfrage.
    »In Gibraltar, Sir!«
    »Dann sollten wir aber schleunigst Süd-Ost-Kurs steuern, denn nach Ihrer Rechnung stehen wir etwa querab von Faro, Mr. Marsh.«
    Die Servants feixten, Mr. Bates schüttelte verzweifelt den Kopf, und Mr. Marsh wurde rot vor Verlegenheit.
    »Unser etwas steifer junger Freund hier hat in seinen wenigen Unterrichtswochen schon mehr von der Navigation begriffen als Sie in vielen Jahren! Er ist mit mir der Meinung, daß wir heute nachmittag querab von Kap Blanco stehen werden.«
    Die Pfeifen schrillten zum Wachwechsel und zum Essen.
    Während der Nachmittagswache ließ sich David nicht auf dem Achterdeck blicken, und Susan, die immer wieder verstohlen das Schiff absuchte, konnte ihn nirgendwo entdecken. Die Versuche der anderen ›Jungen Gentlemen‹, eine Unterhaltung anzuknüpfen, nahm sie uninteressiert zur Kenntnis. Die Blicke lächelnden Einverständnisses zwischen ihren Eltern bemerkte sie nicht.
    Von sechzehn bis achtzehn Uhr, in der ersten Hälfte der dog watch, hatte David Dienst als Läufer auf dem Achterdeck. Nach der Ablösung ging Susan auf ihn zu – nicht zu schnell, es sollte eher beiläufig wirken – und fragte, wo er gewesen sei, warum er so steif gehe, was ihm fehle und was Mr. Marshs Äußerung zu bedeuten habe.
    David errötete unter der Sonnenbräune und antwortete gehemmt, aber mit dem steifen Ernst, den er in dieser Situation für einen Gentleman als angemessen ansah, er könne nicht darüber sprechen, es sei eine Frage der Ehre, und er könne sich nicht mehr mit ihr unterhalten. Sie möge ihn bitte entschuldigen.
    Verstört eilte Susan zu ihren beiden Eltern, die in der großen Kapitänskajüte saßen und ein wenig ausruhten. »Papa, Mama!« sprudelte sie hervor, »David will nicht mehr mit mir sprechen, es sei eine Frage der Ehre, und er kann nicht sagen, was er hat. Und ich kann ihn doch so gut leiden.«
    Sie barg ihren Kopf an der Schulter der Mutter. Der Vater nickte bedächtig, fischte einen Shilling aus der Seitentasche des Rockes und winkte dem Steward, der in der Ecke Weingläser polierte. »Hier, mein Freund, ich will nicht Abraham MacMillan heißen, wenn Sie mir nicht im Vertrauen mehr über die Hintergründe dieser merkwürdigen Angelegenheit erzählen können.«
    Der Steward beugte sich zu ihm, wisperte in sein Ohr, daß Mr. Marsh ein Säufer, Neider und Tyrann sei, aber schon etatmäßiger Midshipman, daß David am Sterbebett seines Freundes mitgelitten und den grölenden Marsh ein gefühlloses Vieh genannt habe. Da sei dann die Cockpit-Strafe fällig gewesen.
    Mr. MacMillan bedankte sich mit einer Handbewegung, wandte sich Frau und Tochter zu und sagte: »Wie ich's mir dachte. Unsere Herren in Marine und Armee sind mitunter sehr nützlich, wie wir vor kurzem selbst erlebten. Aber sie zelebrieren manchmal ein Operntheater, daß man meint, sie könnten nie erwachsen und für ernsthafte Dinge tauglich sein. Nun ja, ich werde ein wenig Luft schnappen, und dann wird die Welt anders aussehen.«
    An Deck wurde Mr. MacMillan freundlich auf dem Achterdeck begrüßt, wanderte mit dem Kapitän einige Male auf und ab, wechselte mit dem Master ein paar Worte über die schwierige Navigation auf dem Fluß Hugli bis Kalkutta und kam dann in Davids Nähe.
    »Ah, Mr. Winter«, sagte er leutselig, »Sie sind wachfrei?«
    »Jawohl, Sir, bis zur ersten Wache, wir

Weitere Kostenlose Bücher