Der junge Seewolf
MacMillan legte freundschaftlich seine Hand auf Davids Schulter: »Haben Sie die Zeremonie gut überstanden, Mr. Winter? Die Damen warten schon darauf, Sie in unserer Nähe zu haben.«
Mrs. MacMillan lächelte, Susans Augen leuchteten, und David hatte Eifersucht und Ungewißheit vergessen.
»Nun sag endlich, wie du unsere Garderobe findest, du Stockfisch«, neckte ihn Susan.
Die Mutter rügte mild ihre Burschikosität. »Sie werden auch nicht mehr davon verstehen, lieber Mr. Winter, als mein Mann. Ich selbst konnte es kaum fassen. Nicht mehr die schweren golddurchwirkten Stoffe sind in Mode, sondern fließende Gewänder aus bedrucktem Kattun. Die hätten wir billiger in Indien nähen lassen können. Und sehen Sie nur, die aufgetürmten Frisuren! Auf dem Meer mögen wir die Franzosen besiegen, in der Mode sind wir ihre Sklaven.«
»Ihr seid doch selbst schuld, meine Liebe. Wir Männer mit unserer Charakterstärke würden dieses dauernde Hin und Her nie mitmachen«, scherzte Mr. MacMillan und hörte sich geduldig den Protest der Frauen und ihre Beweise für die Eitelkeit der Männer an.
David fand Susan bezaubernd in ihrem blau getönten Kleid, das so gut zu dem hellblonden Haar und den tiefblauen Augen paßte.
»Gleich wird die Kapelle zum Tanz aufspielen, ich habe dir zwei Contredanses reserviert, David.«
»Aber ich weiß ja gar nicht, was das ist.«
»Du mußt nur aufpassen, was die anderen tun, und hören, was ich dir zuflüstere. Sieh nur. Es geht schon los.«
David konnte mit den Klängen der kleinen Kapelle wenig anfangen und sah verdutzt zu, wie sich der Gouverneur mit der Frau des Hafenadmirals und dieser mit der Frau des Gouverneurs an die Spitze einer Kolonne setzten, im Takt der Musik den Saal durchquerten und, sich verbeugend, in zwei gegenüberstehenden Reihen kurz anhielten.
Ein Zupfen am Arm verriet ihm, daß Susan das Kommando übernahm und ihn hinter einen ältlichen Artilleriehauptmann dirigierte, während sie selbst einer Walküre in Grün und Weiß folgte. Krampfhaft versuchte David, gleichzeitig den geziert stelzenden Hauptmann zu imitieren und Susans Bewegungen und Winken zu folgen.
Fast wäre er seinem Vordermann in die Hacken getreten, als der anhielt, sich zur Seite wandte und verbeugte. Als David ihn nachahmte und sich nach der Verbeugung aufrichtete, sah er, wie sich Susan aus dem Knicks erhob und ihm schelmisch zuzwinkerte.
Freude, Schalk, Zuneigung blitzten in Susans Augen, die David nicht loszulassen schienen. Zunehmend gelöster folgte er den Bewegungen, schritt vor und zurück, verbeugte sich, berührte Susans Hand, überstand Quadrillen immer sicherer, versuchte schon hin und wieder ein weltmännisches Lächeln und fand Spaß an den rhythmischen, graziösen Bewegungen.
In der Bibliothek ging es gesetzter zu. Admiral Brighton hatte sich eine Zigarre angezündet und steuerte auf Kapitän Brisbane zu, der mit einem Glas Port etwas fremd und verlegen wirkte.
»Hallo, Edward!« sprach ihn Brighton an, winkte mit der Zigarre einen Diener herbei und ließ sich ein Glas Wein geben: »Brauche bloß noch einen Platz, um das Glas abzustellen und dann müssen Sie erzählen!«
Brisbane wollte die Geschichte des Piratenkampfes, oft genug schon wiederholt, in lakonischer Kürze hinter sich bringen, aber Brighton nötigte ihm durch lebhafte Zwischenfragen immer neue Einzelheiten ab.
Endlich schien seine Neugier befriedigt. »Das ist Edward Brisbane, wie ihn seine alten Schiffskameraden kennen, entschlossen und voller Ideen!«
»Nein, nein«, wehrte er Brisbanes Widerstand ab, »Ehre, wem Ehre gebührt! Wenn Sie Ihr Licht nicht immer unter den Scheffel stellen würden, müßten Sie längst Admiral sein. Aber nun haben Sie ja einen einflußreichen Fürsprecher.«
Kapitän Brisbane, verlegen-glücklich über die warmherzige Anerkennung Brightons, schaute erstaunt auf. »Wen denn?«
»Na, Mr. MacMillan!«
»Was kann der als Angestellter der ›John Company‹ schon tun?« fragte Brisbane etwas enttäuscht.
Der kleine, temperamentvolle Admiral blickte ihn zweifelnd an und konnte dann kaum sein Lächeln beherrschen: »Auch das ist typisch Edward Brisbane. Immer noch ohne Gespür für Politik und Diplomatie! Abraham MacMillan ist kein Angestellter im üblichen Sinne, sondern ein sehr einflußreicher Mann in der Ehrenwerten Handelsgesellschaft. Er kehrt von sehr erfolgreicher Tätigkeit als Berater des General-Gouverneurs zurück und wird einen noch wichtigeren Posten in London
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