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Der Junge

Der Junge

Titel: Der Junge
Autoren: J. M. Coetzee
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nach Hause zerren und das Fahrrad mit der anderen Hand schieben.
      Wütend kommt er zu Hause an und weigert sich, in die Schule zurückzukehren, weil er zu spät kommen würde.
      Kosak ist noch nicht ausgewachsen, als er das zermahlene Glas frißt, das jemand für ihn ausgelegt hat. Die Mutter verordnet ihm Abführmittel und versucht, das Glas so auszuschwemmen, doch ohne Erfolg. Am dritten Tag, als der Hund nur noch still daliegt und keucht und nicht einmal mehr ihre Hand lecken will, schickt sie den Sohn in die Apotheke nach einem neuen Mittel, das ihr jemand empfohlen hat. Er rennt hin und wieder zurück, doch er kommt zu spät. Das Gesicht seiner Mutter verhärmt und verschlossen, sie nimmt ihm nicht einmal die Flasche ab.
      Er hilft dabei, Kosak in eine Decke gewickelt hinten im Garten zu begraben. Über dem Grab errichtet er ein Kreuz, auf das er den Namen »Kosak« malt. Er will nicht, daß sie sich wieder einen Hund anschaffen, nicht wenn sie so sterben müssen.
      Der Vater spielt Cricket für Worcester. Auch darauf könnte er sich eigentlich etwas einbilden, auch darauf könnte er stolz sein. Sein Vater ist Rechtsanwalt, was fast so gut ist wie Arzt; im Krieg war er Soldat; früher hat er in der Rugby-Liga von Kapstadt gespielt; jetzt spielt er Cricket. Aber in jedem Fall gibt es eine ärgerliche Einschränkung. Er ist Rechtsanwalt, praktiziert aber nicht mehr. Er war Soldat, aber nur Obergefreiter. Er hat Rugby gespielt, doch nur für die zweite Mannschaft von Gardens, und Gardens kann man vergessen, sie sind im Großen Pokalwettbewerb immer am Ende der Tabelle. Und jetzt spielt er Cricket, für die zweite Mannschaft von Worcester, für die sich keiner interessiert.
      Sein Vater ist Werfer, nicht Schlagmann. Mit seiner Ausholbewegung stimmt etwas nicht, wodurch er keinen richtigen Schlag zustande bringt; außerdem wendet er die Augen ab, wenn der Ball mit hoher Geschwindigkeit kommt.
      Seine Aktivitäten als Schlagmann beschränken sich offenbar darauf, das Schlagholz nach vorn zu schlagen und, wenn der Ball daran abprallt, einen gemächlichen Lauf zu machen.
      Verantwortlich dafür, daß sein Vater als Schlagmann nichts taugt, ist natürlich seine Kindheit in der Karoo, wo es kein richtiges Cricket gab und keine Gelegenheit, es zu lernen.
      Bowlen ist etwas anderes. Es ist eine Begabung: Werfer werden geboren, nicht gemacht.
      Sein Vater bowlt langsame rechts drehende Bälle. Manchmal werden gegen ihn sechs Läufe erzielt; manchmal verliert der Schlagmann, wenn er den Ball langsam auf sich zusegeln sieht, den Kopf, holt wild aus und wird ausgeschlagen. Das scheint die Methode seines Vaters zu sein: Geduld, List.
      Der Trainer für die Mannschaften von Worcester ist Johnny Wardle, der im nördlichen Sommer Cricket für England spielt.
      Es ist ein Glücksfall für Worcester, daß Johnny Wardle sich entschlossen hat hierherzukommen. Als Vermittler wird Wolf Heller genannt, Wolf Heller und sein Geld.
      Er steht mit seinem Vater hinter dem Übungsnetz und schaut zu, wie Johnny Wardle für die erste Schlagmannschaft bowlt.
      Wardle, ein unauffälliger kleiner Mann mit spärlichem rotblonden Haar, soll ein langsamer Werfer sein, aber als er Anlauf nimmt und den Ball schleudert, ist er erstaunt, wie schnell der Ball ist. Der Schlagmann an der Linie erwischt den Ball ziemlich leicht und schlägt ihn vorsichtig ins Netz. Ein anderer bowlt, dann ist wieder Wardle an der Reihe. Wieder schlägt der Schlagmann den Ball behutsam fort. Der Schlagmann gewinnt nicht, doch auch der Werfer nicht.
      Als der Nachmittag um ist, geht er enttäuscht nach Hause. Er hatte einen größeren Abstand zwischen dem Werfer für England und den Schlagmännern für Worcester erwartet. Er hatte erwartet, daß er Zeuge einer geheimnisvolleren Kunst werden und erleben würde, wie der Ball seltsame Dinge in der Luft und nach dem Aufsetzen tut, wie er fliegt und Rückspin und Drall bekommt, wie es bei tollen langsamen Werfern nach den Cricket-Büchern, die er liest, der Fall sein soll. Er hatte keinen geschwätzigen kleinen Mann erwartet, der sich nur dadurch hervortut, daß er Bälle mit Drall so scharf bowlt, wie er selbst es bei seinen am schärfsten gebowlten Bällen schafft.
      Vom Cricket erwartet er mehr, als Johnny Wardle zu bieten hat. Cricket muß Horatius und den Etruskern gleichen, oder Hektor und Achilles. Wenn Hektor und Achilles nur zwei Männer wären, die mit Schwertern aufeinander losgingen, wäre
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